(OT: „Kingsman: The Golden Circle“, Regie: Matthew Vaughn, UK/USA, 2017)
Einige Monate sind vergangen, seitdem Gary „Eggsy“ Unwin (Taron Egerton) seinen Mentor Harry Hart (Colin Firth) verloren hat. Doch für Trauer bleibt keine Zeit, schließlich hat der Nachwuchsspion gerade ganz andere Sorgen. Da wäre seine Freundin Tilde (Hanna Alström), die als Prinzessin von Schweden in einer ganz anderen Liga spielt. Vor allem aber ist da Poppy Adams (Julianne Moore). Die ist weniger sanftmütig bei ihren Mitteln und versucht, mit den früherem Kingsman-Anwärter Charlie (Edward Holcroft) ihr Drogenimperium auszuweiten. Eine Spur führt Eggsy und seinen Kollegen Merlin (Mark Strong) in die USA, wo die beiden Hilfe von unerwarteter Seite bekommen.
Kingsman: The Secret Service war vor zwei Jahren sicher einer der größeren Überraschungen. Gewisse Erwartungen hatte man an den Film sicherlich, doch der scherte sich kaum darum. Finanziell nicht: Mit einem Einspielergebnis von über 400 Millionen Dollar brachte die Adaption des gleichnamigen Comics von Dave Gibbons und Mark Millar die Kinokassen zum Überlaufen. Aber auch inhaltlich war die Krimikomödie ein frischer Wind in dem überlaufen Filmagentenmetier. Denn hier machte man sich über alles und jeden lustig, ohne gleich eine Parodie à la Austin Powers draus machen zu müssen. Denn gekämpft wurde. Und wie! Die völlig überzogenen, mitunter sehr blutigen, dabei aber ungemein stylischen Actionszenen hatten absoluten Seltenheitswert.
Eine Verfolgungsjagd, die man nicht vergisst
Das ist im sehnsüchtig erwarteten Nachfolger The Golden Circle nicht anders. Mit einer solchen Szene beginnt sogar der Film: Wenn Eggsy in einer rasanten Verfolgungsjagd zeigt, dass er nicht mehr der unbedarfte Neuling ist, die Kamera umherwirbelt und bizarre Gadgets zum Einsatz kommen, dann steigert das die Vorfreude auf den Rest des Films. Auch sonst ließ man sich beim zweiten Teil nicht lumpen. Die Kämpfe an sich sind leider eher selten. Dafür schöpften die Macher anderweitig aus dem Vollen: Alles ist größer, lauter, weiter, bombastischer. Das zeigt sich an dem neuen Schauplatz, diesmal spielt der Film größtenteils in den USA, wo ja alles gern mal ein bisschen überdimensionierter sein darf. An dem teils schon recht aufdringlichen Einsatz von Computereffekten. Vor allem zeigt sich das gewonnene Selbstbewusstsein aber an der Besetzung.
Natürlich hatte auch The Secret Service einige große Namen gehabt, allen voran Samuel L. Jackson und Michael Caine. Aber das ist nichts im Vergleich zum Schaulauf, den sie hier veranstaltet haben. Da wären die US-Kollegen der Agenten, die immerhin mit Jeff Bridges (The Big Lebowski), Channing Tatum (Magic Mike), Pedro Pascal (Narcos) und Halle Berry (X-Men) aufwarten. Auf der Gegenseite mischt nun Julianne Moore (Still Alice) mit, die als ebenso charmante wie sadistische Drogenkönigin das Spiel mit der Übertreibung ganz offensichtlich genießt. Wie zu erwarten hätte sich The Golden Circle allein für sie schon gelohnt. Dann taucht aber noch eine weitere Figur auf, die so keiner auf dem Plan gehabt haben dürfte: Elton John. In einer wunderbar selbstironischen Nebenrolle entpuppt sich das britische Musik-Urgestein als ein Szenendieb, wie man es nur selten erlebt.
Zwischen Wahnsinn und Konvention
Es gibt also wahnsinnig viel zu lieben an Eggsy und seinem Umfeld, mal wieder. Einfach weil vieles hier wahnsinnig ist. Die Geschichte, die Figuren, die Ausstattung – allein schon das Hauptquartier von Poppy dürfte bei der Entwicklung für breites Grinsen und überquellende Herzen gesorgt haben. Und doch: Die Begeisterung ist hier wie bei dem Vorgänger immer nur temporär. The Golden Circle macht an manchen Stellen so wahnsinnig viel, an anderen dafür zu wenig. Bei The Secret Service war es der komplette Mittelteil, wenn Eggsy sein Training beginnt, der alles lähmte. Wo der Film bis dato Klischees und Regeln des Agentenfilms spielerisch auf den Kopf stellte, folgte man plötzlich Konventionen. Sehr langweiligen Konventionen.
Das ist hier nicht anders. Der Nebenstrang um Prinzessin Tilde ist komplett überflüssig, bringt am Anfang ein paar Lacher, ist später nur Mittel zum Zweck. Und auch an anderen Stellen hält sich The Golden Circle viel zu eng an das Bewährte, als hätten sie nicht den Mut oder die Ideen, wirklich etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Vielleicht ist es auch beides. Manche Witze und Einfälle werden auch unnötig in die Länge gezogen, so wie der Film insgesamt aufgeblasen ist. 140 Minuten, das ist für einen Film mit so wenig Inhalt dann doch zu viel. Zu oft wird hier und da etwas eingefügt, ohne auf das große Ganze und vor allem das Tempo zu achten. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kontrast aus normalem Leben und Agentendasein diesmal komplett wegfällt, was mit den Reiz von Kingsman ausmacht. Es fehlt die Frische. Sehenswert ist die Krimikomödie trotz allem, über weite Strecken auch sehenswert. Aber eben doch nicht so großartig, wie sie es sein könnte.
(Anzeige)