(OT: „Marlina The Murderer In Four Acts“, Regie: Mouly Surya, Indonesien, 2017)
Bislang hatte Marlina (Marsha Timothy) ein recht ruhiges Leben geführt. Zurückgezogen in einer abgelegenen Hütte auf der indonesischen Insel hat sie nur wenig Bezug zu der Welt da draußen. Die karge Wüstenlandschaft und ein paar Nutztiere, mehr Begleiter hat die Witwe nicht. Bis zu dem Tag, als sie vorbeikamen: Markus (Egy Fedly) und seine Männer. Sie zwingen Marlina, für sie zu kochen, rauben sie aus, töten ihr Vieh und wollen sie zum Abschluss sogar vergewaltigen. Doch ganz so wehrlos ist sie nicht. Viele müssen mit dem Leben bezahlen, Markus verliert dabei seinen Kopf. Mit Letzterem im Gepäck begibt sich die Mörderin auf eine Reise, um zu sich und zur Gerechtigkeit zu finden – verfolgt von den Freunden der Getöteten.
Es ist ein Wort, das man sich gern auf der Zunge zergehen lässt: Satay-Western. Angelehnt an die glorreichen Spaghetti-Western aus den 1960ern ist das natürlich, als Italien dem von den USA dominierten Genre einen eigenen Stempel aufdrückte. Vergleichbar einflussreich wird der dritte Film von Regisseurin und Drehbuchautorin Mouly Surya – die auch den Begriff in den Raum warf – sicher nicht sein. Dafür ist er dann doch zu speziell, Indonesien als Filmland auch zu wenig im Mittelpunkt des Geschehens. Aber es ist doch sehr interessant und spannend, was die Filmemacherin hier getan hat. Gerade auch, weil man oft so gar nicht genau sagen kann, was dieses „was“ denn eigentlich ist.
Kurz und schmerzhaft
Der Einstieg kommt noch am ehesten einem Thriller gleich: Von mehreren Männern belagert und bedrängt ist Marlina den Eindringlingen hoffnungslos ausgeliefert. Wer sollte ihr hier schon helfen, inmitten der trockenen Felder, in die sich kaum jemand mal verirrt? Doch zu der großen Überraschung der Aggressoren – und des Publikums – braucht die unscheinbare Witwe keine Hilfe, sondern macht kurzen Prozess mit den Kerlen. Einen wirklich kurzen Prozess: Wo andere weibliche Rachestreifen die Entmannung zelebrieren, etwa The Villainess, welches zeitgleich auf dem Fantasy Filmfest 2017 die Deutschlandpremiere feiert, ist das Morden hier so schnell und nüchtern, dass man erst einmal ungläubig auf die Leinwand starrt. Ist das gerade tatsächlich geschehen?
Später wird Marlina – Die Mörderin in vier Akten noch einmal zu den blutigen Anfängen zurückkehren, in mehr als einer Hinsicht. Und doch ist der Film kaum mit den indonesischen Filmen zu vergleichen, die sonst ihren Weg hierher finden. Nicht mit Actionreißern wie The Raid oder Headshot, nicht mit den Horrorstreifen Modus Anomali – Gefangen im Wahnsinn und Dead Mine. Dafür passt hier zu wenig, dafür ist das alles auch viel zu ruhig. Langeweile ist trotzdem nirgends zu finden. Wenn Surya uns mit den weiten Aufnahmen der kargen Landschaften in ihre Heimat entführt, dann ist das immer mit dem Gefühl der Bedrohung verbunden. Gerade weil hier nichts ist, eine an den Nerven zehrende Stille über der Einöde liegt, kaum Musik oder Dialoge uns aufnehmen, kann man sich hier nie sicher fühlen.
Die surreale Komik des beunruhigenden Nichts
Aber es ist eben nicht nur die Flucht vor den Männern, welche die beiden folgenden Akte bestimmt. Marlina – Die Mörderin in vier Akten hat oft eine leicht surreale Stimmung mit durchaus komischen Strömungen. Der Kopf, den Marlina immer dabei hat. Die Art und Weise, wie andere auf sie reagieren. Männer vor allem. Der Film ist nicht zuletzt auch ein Drama, das von alten Strukturen erzählt, von dem fehlenden Wert von Frauen, die nicht mehr als Vieh sind. Von alten Aberglauben. Von traurigen Geschichten. So beunruhigend die Genremischung zwischenzeitlich auch ist, so ist sie doch auch meditativ, lässt uns innehalten, suchen, fragen. Die Begegnung mit dem Nichts und mit der Unterdrückung, sie ist auch eine Begegnung mit einem selbst. Der Erkenntnisgewinn hält sich am Ende zwar in Grenzen. Und doch war es eine der spannendsten Reisen, die wir zuletzt haben zurücklegen dürfen.
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