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© Paramount Pictures

mother!

(OT: „mother!“, Regie: Darren Aronofsky, USA, 2017)

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„mother!“ läuft ab 14. September 2017 im Kino

Das Leben meint es gut mit dem Dichter (Javier Bardem). Er hat eine schöne, junge Frau (Jennifer Lawrence), ein schönes, altes Haus und genießt viel Ansehen für seine Werke. Doch richtig glücklich ist er nicht. Schon seit Längerem plagt er sich mit einer Schreibblockade herum: Was auch immer er versucht, so oft seine Frau ihm auch trösten will – es will nichts mehr aus seiner Feder kommen. Eines Tages findet er jedoch eine unerwartete Inspiration, als ein Unbekannter (Ed Harris), später auch dessen Frau (Michelle Pfeiffer) bei ihm vorbeischauen. Er genießt die Abwechslung durch die Neuankömmlinge, die Bewunderung auch. Dafür hängt schnell der Hausfrieden schief, als die beiden es sich ein wenig zu bequem in dem Haus machen, sich an keine Absprachen oder Wünsche halten. Und keine Grenzen.

Zuletzt ging der Trend ja eher dahin, dass das zukünftige Publikum beim Entstehen eines neuen Films hautnah dabei sein darf. Von der Ankündigung über die Besetzung bis zu den inneren Querelen, wenn mal wieder etwas nicht funktioniert – in Zeiten des Internets bleibt kein Punkt der Entstehungsphase unter Verschluss. Und wo es doch mal Zweifel und Fragen gibt, findet sich immer jemand, der ein passendes Gerücht auf Lager hat. Schließlich will die newssüchtige Kundschaft bedient werden. Aber nicht einmal zu Gerüchten hat es bei Darren Aronofsky gereicht. So wenig war über sein Werk vorab bekannt, dass die wenigsten gewusst haben dürften, dass der gefeierte Regisseur (Black Swan, Requiem For A Dream) überhaupt wieder einen Film dreht.

Rätsel über Rätsel
Diese extreme Form der Geheimniskrämerei mag man im Vorfeld noch als bloße Wichtigtuerei abtun. Aber im Fall von mother! zahlte sich diese aus: Je weniger man darüber weiß, umso besser ist es. Dabei handelt es sich um einen Film, über den man tagelang diskutieren könnte. Oder nach fünf Minuten schon nicht mehr weiter weiß. Aronofsky hat hier etwas abgeliefert, das erst einmal kaum Inhalt hat. Die Protagonisten werden das Haus zwei Stunden nicht verlassen, die Handlung weist so gut wie keine Variation auf. Nur intensiver wird sie. Und wenn es doch mal eine Andeutung gibt, dass da mehr dahintersteckt, der Filmemacher mit einem Rätsel vor der Nase herumwedelt, so zieht er es später gleich wieder weg. Konkrete Informationen verweigert der Amerikaner, nicht einmal Namen hat er seinen Figuren gegeben. Es liegt am Publikum, aus diesen Puzzleteilen ein Bild zusammenzusetzen.

Dass dieses bei der Premiere in Venedig gelinde gesagt gemischt reagierte, ist kein Wunder. Aronofsky fordert seine Zuschauer, mutet ihnen eine ganze Menge zu – gerade gegen Ende hin kommt ganz harter Tobak. Er belohnt sie aber nicht für diese Mühen, nicht so wirklich. Atmosphärisch ist mother! meisterhaft. Unterstützt von dem isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson (Arrival, Sicario), der das Geschehen mit bedrohlichen Klängen untermalt, sehen wir hier ein trautes Familienglück, das zunehmend ins Surreale und Alptraumhafte kippt. Die Hölle, das sind die anderen.

Das schwierige Nichts
Von Anfang an versteht es der Film, so das Publikum hineinzuziehen in eine Welt, in der nie klar ist, was Realität, was Einbildung. Mit der Zeit wird es jedoch zunehmend schwieriger, wirklich dabeizubleiben. Gerade weil es hier so wenig Anknüpfungspunkte gibt – von der Hausdame abgesehen wirkt kein Mensch real, die Handlungsweisen bleiben ohne Logik – und die Geschichte sich nicht von der Stelle bewegt, ist mother! doch auch langatmig. Dafür entschädigt das Finale, welches an High-Rise erinnert, dessen verspielte Satire aber durch pure Freude am Abgrund ersetzt. Was bleibt ist einer der verstörendsten Filme, die man in den letzten Jahren hat sehen dürfen, zumindest im Mainstreamkino. Ein Film, dessen Horror eben darin besteht, Erwartungen zu unterwandern und sich nicht darum zu kümmern, was der Rest der Welt damit anfängt.



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Darren Aronofsky zeigt auch in seinem neuen Werk, wie wenig berechenbar er als Filmemacher bleibt. Wenn er ein namenloses Ehepaar in einen atmosphärisch starken, rätselhaften Alptraum stürzt, dann spielt das mit Horrorerwartungen, die er gar nicht erfüllen will. Zwischendurch zieht sich „mother!“, auch weil Inhalt und Figuren bewusst leer bleiben. Verstörend ist der Film aber, zum Schluss wird es sogar richtig hart.
7
von 10