(OT: „Wann endlich küsst du mich?“, Regie: Julia Zische, Deutschland, 2015)
Schauspielerin Doris (Olivia Grigolli) hat zwei Töchter, die graue Maus Mascha (Marie Rosa Tietjen) und ihre jüngere Schwester Viola. Mascha drückt sich vor ihrer Masterarbeit, ist unzufrieden mit ihrem Leben und stellt ihre Beziehung in Frage. Viola, der flippige Teenager, befindet sich in der „bockigen“ Phase und will unbedingt Schauspielerin werden. Doris, die attraktive Karrierefrau, hat die Hauptrolle in einer Serie ergattert, deren Drehbuch ihr Lebensgefährte Thomas (Alex Brendemühl) geschrieben hat. Oma Uschi (Marlen Diekhoff), der Ruhepol der Familie, kümmert sich rührend um ihren verwirrten Mann Theo (Rüdiger Evers) und ist der einzige Ansprechpartner für die drei Mädels.
Schwierige Beziehungen
Die Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Doris, Mascha und Viola gestaltet sich kompliziert, jeder ist mit sich selbst beschäftigt und die Töchter finden keinen Zugang zu ihrer Mutter und auch umgekehrt. Mascha fühlt sich nicht gewollt, da Doris die frühe Schwangerschaft mit ihr als Fehler ansieht und dies auch gerne kundtut. Doris verbietet Viola die Schauspielschule, obwohl sie selbst das Schauspiel über alles stellt. Sie und Viola teilen allerdings plötzlich das gleiche Schicksal – eine ungeplante Schwangerschaft, welche sie voreinander geheim halten.
Beide Frauen befinden sich an einem wichtigen Wendepunkt und gehen mit ihrer Situation komplett unterschiedlich um; ein Schicksal, zwei verschiedene Perspektiven. Auch ihre Partner Thomas und Jo könnten nicht gegensätzlicher handeln und verkomplizieren die Lösungssuche für beide Frauen ungemein. Mascha hingegen sieht sich zwischen den Stühlen und versteckt sich sogar vor ihrer Mutter, um ihr aus dem Weg zu gehen; eine dritte Variante, mit der Situation umzugehen. Oma Uschi bietet allen dreien einen „Zufluchtsort“. Sie hört zu, gibt Ratschläge, wirft die ein oder andere aber auch mal ins kalte Wasser. Und dann ist da noch Opa Theo – er leidet an Demenz oder Alzheimer, genauer wird im Film nicht darüber gesprochen. Mit einer herzzerreißenden Selbstüberzeugung geht er durch den Tag, als wäre seine Verwirrtheit total normal. In einem einzigen Moment erlangt er seine Erinnerung wieder und genau dieser Moment ist die Schlüsselszene des Films.
Die Message des Films
„Wann endlich küsst du mich“, ein Zitat aus einem wundervollen Gedicht, welches den Grundgedanken des Films aufgreift. Es vereint die nach Liebe sehnende Mascha, Violas Verlustängste, Thomas’ verzweifelte Freude auf das Kind und die Botschaft, endlich aufeinander zuzugehen. Emotional eingefangen wird der Zuschauer von den Personen und Geschehnissen jedoch nur oberflächlich, abgesehen von Opa Theo, der sofort alle Sympathien pachtet!
Außerdem erwartet man Gefühlsausbrüche, die aber bei allen Figuren sehr neutral gehalten werden, fast schon etwas abgestumpft. Vor allem von Doris erwartet man an einem gewissen Punkt viel heftigere Emotionen, was ihrem Beruf als Schauspielerin doch naheliegt. Der Film erntet einige wenige Lacher, etwas mehr Humor hätte dem Zuschauer mehr Zugang zu den Charakteren ermöglicht. Allerdings lehrt der Film eine Lektion; bilde dir nicht zu schnell eine Meinung und versetze dich in die Lebenssituationen anderer, bevor du urteilst! Das gleiche Schicksal kann den einen aus der Bahn werfen und den anderen über sich hinaus wachsen lassen. Eine sehr wertvolle Message, die sich jeder zu Herzen nehmen sollte.
(Anzeige)