Viele, viele Jahre hat Georg (Josef Hader) als Musikkritiker für eine Wiener Zeitung gearbeitet. Er liebt seine Arbeit, lebt sie sogar. So sehr, dass er sich gar nichts anderes vorstellen könnte. Er ist die Musik. Seine Arbeitgeber sehen das jedoch etwas anders. Zu teuer, zu alt, zu viele Privilegien: Und so eröffnet ihm sein Chef Waller (Jörg Hartmann) eines Tages, dass er entlassen ist. Während Georg nun nach Rache sinnt und dabei in dem ehemaligen Mitschüler Erich (Georg Friedrich) einen Komplizen findet, hat seine Frau Johanna (Pia Hierzegger) ganz andere Sorgen. Da wäre zum einen ihr Patient Sebastian (Denis Moschitto), der in seiner Therapie so gar nicht Abstand bewahren will. Dringender aber noch ist ihr Kinderwunsch, der so langsam mal erfüllt werden sollte – bevor es denn zu spät ist.
In seiner Heimat Österreich ist Josef Hader ja schon lange ein Star. Vor allem auf der Bühne hat sich der Kabarettist einen Namen gemacht, erfreut seit Jahren sein Publikum mit abgründigem Humor. Aber auch in Deutschland genießt der Künstler inzwischen Kultstatus, besonders durch seine vier Filme als Detektiv Simon Brenner (zuletzt Das ewige Leben). Dass Haders erste eigene Regiearbeit an die Reihe erinnert, kommt da nicht ganz überraschend. Zwar wurde aus einem Schnüffler ein Musikkritiker, aus Morden kleinere Beispiele von Sachbeschädigung, atmosphärisch ist Wilde Maus aber recht nah dran an den Krimis.
Vom Leben überholte Protagonisten
Düster ist der Film, voller Stellen, von denen man nie so genau sagen kann, ob man sie komisch oder tragisch finden soll. Und dazwischen er: Josef, Simon, Brenner. Männer aus dem Alltag, die aber nicht mehr in den Alltag passen. Die irgendwo abgehängt wurden, vom Leben überholt, zumindest im Stich gelassen. Wilde Maus hat Hader sein Debüt genannt nach der bekannten Jahrmarktattraktion. Auf die Figuren würde wohl keiner diese Bezeichnung anwenden wollen: Nicht nur der Musikkritiker, sie alle hier schlurfen durchs Leben, stolpern, wissen eigentlich nicht so recht, was sie mit dem ganzen Kram anfangen wollen und sollen. Stillstand ist angesagt.
Selbst Waller, der anfangs noch nach Gewinnertyp riecht, in einem schicken Haus mit Pool lebt, wird sich später als Versager herausstellen – zumindest im zwischenmenschlichen Bereich. Doch in der Hinsicht können sie sich alle die Hand reichen. Ob sie über Musik schreiben, Menschen therapieren oder im Fall von Erich eigentlich nicht so wirklich etwas tun, das mit dem Kommunizieren beherrscht eigentlich keiner so richtig. Das zeigt sich besonders bei den Paaren: Georg und Johanna reden seit Jahren nicht mehr, Sebastians Beziehung scheitert beim Versuch, Erich und seine rumänische Freundin versuchen es nicht einmal. Haders Welt ist bevölkert von Leuten, die verlernt haben, miteinander umzugehen.
Zwischen Alltag und Absurdität
Eine Vorbildfunktion hat das natürlich nicht. Aber auch wenn Hader nicht davor zurückschreckt, die Menschen von ihrer schlechtesten Seite zu zeigen, er begegnet ihnen gleichzeitig mit Verständnis. Man muss die Leute nicht unbedingt mögen, nachvollziehen kann man sie aber schon. Die kleinen und großen Krisen im Leben, die Enttäuschungen und Missverständnisse – Wilde Maus ist im Herzen recht nah an dem, was uns so zustößt und beschäftigt. Nur dass Hader diesen Realismus mit allerlei skurrilen, gar absurden Momenten verbindet. Da wird manchmal mit Freude und trockenem Humor österreichischer Machart am Ziel vorbeigeschossen. Wer diesen mag, sollte sich die schnodderige Tragikomödie zu Gemüte führen, die zwar nicht die ganz großen Lacher erfordert, einen dafür umso öfter mitfühlend mitschmunzeln lässt.
OT: „Wilde Maus“
Land: Österreich
Jahr: 2017
Regie: Josef Hader
Kamera: Andreas Thalhammer, Xiaosu Han
Besetzung: Josef Hader, Pia Hierzegger, Jörg Hartmann, Denis Moschitto, Georg Friedrich
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)