(OT: „Vinterbrødre“, Regie: Hlynur Pálmason, Dänemark/Island, 2017)
Besonders aufregend ist das Leben von Emil (Elliott Crosset Hove) ja nicht. Zusammen mit seinem Bruder Johan (Simon Sears) arbeitet er in einer abgelegenen dänischen Fabrik und übt dort die undankbarsten Aufgaben aus. Tagein, tagaus, ohne Perspektive. Dafür mit viel Dunkelheit. Abwechslung findet er in dem Brauen von Schnaps, in dem Gewehr, das er eines Tages in die Hände bekommt. Und bei Anna (Victoria Carmen Sonne), dessen Herz er gewinnt, indem er ihr durch das offene Fenster die Höschen klaut. Weniger empfänglich für seinen Schabernack ist jedoch sein Boss (Lars Mikkelsen), der nur darauf wartet, den Störenfried endlich loszuwerden.
So ein bisschen Orientierung im Leben ist ja eigentlich ganz nett. Wenn möglich. Schwierig wird es aber, wenn man die eigene Hand vor Augen nicht sieht. Winter Brothers fängt so an, lässt uns eine Weile im Dunkeln umhertappen, ohne zu sagen, wo wir uns denn befinden. Nach der Anfangssequenz geht es dann endlich wieder nach draußen. Wer sich dadurch jedoch entscheidende Verbesserungen erhofft: Fehlanzeige. Die Geschichte bleibt düster, die Orientierungslosigkeit bleibt und zu sehen gibt es in der ewigen Winterlandschaft auch relativ wenig.
Zu sagen, dass das Spielfilmdebüt des isländischen Regisseurs und Drehbuchautors Hlynur Pálmason sperrig ist, würde dem Werk nicht einmal ansatzweise gerecht werden. Winter Brothers nimmt einen mit ins eisige Dänemark und lässt einen dort allein zurück. So wie Emil alleine ist und aus Einsamkeit die unsinnigsten Dinge tut. Einiges davon ist lustig. Peinlich lustig vielleicht. Wer schaut nicht hin und wieder mal gern zu, wenn ein anderer sich ziemlich zum Affen macht? Und auch die eigenartigen Armeefantasien eignen sich zur Erheiterung. Bei manchem weiß man nicht so recht, ob es lustig sein soll, etwa bei einem Streit zwischen den zwei Brüdern. Und dann wären da noch die Szenen, bei denen man nicht einmal sagen kann, worum es überhaupt geht.
Schweigen ist düster
Das liegt auch daran, dass Pálmason kein Mann der großen Worte ist. Von Kontexten und Hintergrundinformationen hält er nicht viel, die Dialoge verraten nichts über die Leute, die sie aussprechen. Wenn es denn mal Dialoge gibt. Manchmal läuft Emil auch nur durch den Schnee. Das ist schön anzusehen, so schön Winterlandschaften nun mal sind. In dem weiten Weiß ist aber nicht viel von Zivilisation zu spüren. Man fühlt sich manchmal wie auf einem fremden Planeten, mit eigenen Regeln, für die es jedoch leider keine Anleitung gibt.
Das ist insgesamt recht interessant, teilweise surreal und intensiv. Aber es ist auch ein wenig unbefriedigend. Eine wirkliche Geschichte wird hier nicht erzählt, es gibt keinen direkten Fortgang. Stattdessen: Einzelsituationen, die sich nur selten auseinander ergeben. Was Pálmason mit diesen wollte, was überhaupt sein Ziel des Films war, das bleibt ein Rätsel. Wie so manches hier. Experimentierfreudige Zuschauer, gerade auch solche mit einer Vorliebe für das skandinavische Kino, können bei dem Beitrag vom 27. Film Festival Cologne ihr Glück versuchen. Aber es bleibt ein sehr exklusives Vergnügen.
(Anzeige)