(OT: „Apricot Groves“, Regie: Pouria Heidary Oureh, Armenien, 2016)
Es ist schon eine ganze Weile her, seitdem die beiden armenischstämmigen Iraner Aram (Narbe Vartan) und Vartan (Hovhannes Azoyan) sich gesehen haben. Während Aram nach dem Tod des Vaters in die USA ging, um dort zu studieren, sind sein älterer Bruder und die Mutter nach Armenien gegangen. Doch nun ist Aram zurück. Der Brauch will es, dass er bei der Familie seiner armenischen Freundin vorspricht und reichlich Geschenke mitbringt, um so um ihre Hand anzuhalten. Vartan, der hierbei die Rolle des verstorbenen Vaters übernimmt, begleitet ihn dabei und hilft ihm auch bei den Vorbereitungen für dessen Reise in den Iran. Denn dort muss Aram noch etwas Dringendes erledigen, bevor er seine Freundin zur Frau nehmen kann.
War es nun ein Grund zur Freude, als im Sommer nach einem politischen Winkelspiel doch noch die Ehe für alle beschlossen wurde? Oder war es erbärmlich, dass Deutschland so lange dafür gebraucht hat, homosexuelle Beziehungen mit gleichem Recht anzuerkennen? Doch dann sieht man Filme aus dem Ausland und wird daran erinnert, wie deutlich schlechter es einem hierzulande ergehen könnte. Siehe Apricot Groves. Denn der in Armenien gedrehte Film ist in der Heimat verboten. Wer ihn sehen will, ist auf Festivals angewiesen, etwa das Queer Film Festival Perlen in Hannover, wo er derzeit läuft.
Ein Geheimnis, das nicht wirklich eins ist
Dabei ist das Drama gar nicht provokativ, will es zumindest nicht sein. Hier wird nicht angegriffen, nicht einmal offen kritisiert. Stattdessen erzählt Apricot Groves „nur“ die Geschichte zweier Brüder, die gemeinsam durch Armenien fahren, sich über Traditionen und alte Bräuche unterhalten. Darüber, was es heißt, jemanden zu lieben. Worauf das Ganze hinausläuft, ist kein wirklich großes Geheimnis. Mit einer Krankenhausszene beginnt der Film, auch das Screening auf besagten LGBT Festivals gibt genügend Hinweise. Aber Apricot Groves ist eben mehr als ein Twist. Der Film hätte die Geheimniskrämerei nicht einmal gebraucht, der Reiz liegt woanders.
Wer bin ich? Wer will ich sein? Was erwarte ich vom Leben? Das sind klassische Coming-of-Age-Fragen, die hier immer mitschwingen. Aber Aram hat diese Fragen längst beantwortet, der Liebe wegen. Zweifel hat er keine mehr, wohl aber ein wenig Angst. Er ist still und zurückgezogen, überlässt es meistens dem Bruder, die Sache in die Hand zu nehmen. Viel erfahren wir nicht über die beiden, nur beiläufig und stückchenweise lässt uns Regisseur und Drehbuchautor Pouria Heidary Oureh an seinen Figuren teilhaben. Er vermeidet auch das Melodram, welches viele LGBT-Filme prägt, teilweise auch plagt.
Ein ruhig erzähltes Drama
Stattdessen ist Apricot Groves wunderbar zurückhaltend, mal nachdenklich, dann wieder humorvoll, begnügt sich auch oft damit, einfach das Land und die Leute zu zeigen. Aram und Vartan sind unterwegs, treffen Leute, unterhalten sich über einen jungen Mann, der bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Die Handlung ist sparsam, weshalb trotz der kurzen Laufzeit von weniger als 80 Minuten der Film manchmal länger wirkt. Dafür fühlt er sich authentisch an. Wo die Kollegen gern zuspitzen und dramatisieren, hat man hier das Gefühl, zwei realen Menschen zuzusehen. Dem Leben zuzusehen, so kompliziert und verworren es manchmal auch sein mag. Da dies zusätzlich mit schönen Bildern belohnt wird, ist das Drama für die Liebhaber leiser und gleichzeitig ungewöhnlicher Geschichten unstrittig einen Blick wert.
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