(OT: „Gook“, Regie: Justin Chon, USA, 2017)
Sonderlich erfolgreich sind Eli (Justin Chon) und Daniel (David So) ja nicht mit ihrem Schuhladen. Die Ware ist billig, die Kundschaft nicht sonderlich zahlreich, sie stehen eigentlich immer kurz vor dem Aus. Aber es ist nun mal das, was den beiden koreanisch-amerikanischen Brüdern von ihrem verstorbenen Vater geblieben ist. Also schuften sie weiter und versuchen irgendwie über die Runden zu kommen. Immerhin sorgt Kamilla (Simone Baker) immer wieder für Abwechslung und Trubel. Eigentlich müsste die 11-Jährige ja in der Schule sein. Viel lieber verbringt das afroamerikanische Mädchen aber seine Zeit in dem Schuhladen – sehr zum Missfallen der Familie. Gleichzeitig wird Los Angeles immer mehr zu einem Pulverfass, Unruhen und Gewalt bereiten sich überall aus.
Wären da nicht die Schwarzweißbilder und der Hinweis auf den skandalösen Freispruch von vier Polizisten, man hätte Gook auch in der Gegenwart vermuten können. Rassismus, Polizeiwillkür, Gewalt, das ist heute nicht weniger aktuell als vor 25 Jahren, 1992, das Jahr der großen Unruhen in Los Angeles. Das Jahr, in dem der Film spielt. Warum Justin Chon, der hier Regie führte, das Drehbuch schrieb und die Hauptrolle übernahm, diesen historischen Kontext wählte, ist daher auch nicht ganz offensichtlich. Umso mehr, da es hier um eine andere Form des Rassismus geht: die gegenüber Amerikanern asiatischer Herkunft.
Rassismus unter Opfern
„Gook“, so erklärt der Film anfangs, ist eine herabwürdigende Bezeichnung für Asiaten und etabliert das Thema schon, noch bevor die Geschichte angefangen hat. Es ist eine interessante Variation eines Themas, welches das amerikanische Kino aus naheliegenden Gründen antreibt: Rassismus. Aber eben einer, der sich nicht gegen die übliche Minderheit der schwarzen Bevölkerung richtet, sondern gegen eine andere, oft totgeschwiegene. Bitter ist dies vor allem, wenn sich beide Minderheiten gegenüberstehen, die zwei Brüder von Afroamerikanern drangsaliert werden. Opfer des Rassismus, die selbst zu Rassisten werden? Das ist schon ein starkes Stück.
Ganz so ist es am Ende dann aber doch nicht. Chon drückt sich ein wenig davor, diesen Gedanken weiter zu verfolgen, bewegt sich auch weg von der allgemeinen Situation der asiatischen Bewohner. Stattdessen stehen die persönlichen Geschichten im Vordergrund. Das kann charmant sein, sehr sogar, so lange es nur um die beiden Brüder und Kamilla geht. Der eine oder andere Einfall ist vielleicht ein bisschen zu verspielt-verschroben, um noch als glaubwürdiges Porträt durchzugehen. Wie einer dieser Generation-X-Slacker-Filme der 90er wirkt Gook da, mit leichteren Sitcom-Anleihen. Aber man schaut ihnen ganz gern zu, wie sie herumalbern, sich gegenseitig auf die Nerven gehen und einen Tag zu Ende bringen wollen, der eigentlich viel zu langweilig ist, um ihn zu erzählen.
Drama um des Dramas willen
Aber Chon will eben mehr und erhöht mit der Zeit immer mehr den Dramafaktor. Da werden Hintergrundgeschichten enthüllt, von denen das Publikum zuvor nichts wusste, welche den Ereignissen eine tragische Note geben. Und es werden neue Zwischenfälle eingebaut. Das passt einerseits natürlich zu dem Thema der immer stärker werdenden Unruhen – das Leben des Trios spiegelt die äußeren Rahmenbedingungen wieder. Allerdings zieht sich Gook hier ein bisschen leicht aus der Affäre, indem einiges zu abrupt eingeführt wird, anstatt es wirklich vorzubereiten. Ganz rund ist der Eröffnungsfilm des Asian Film Festivals Berlin daher nicht, die Unterschiede im Tonfall sind etwas zu extrem, die Geschichte zu konstruiert. Aber es lohnt sich doch, den Film einmal anzuschauen, zumindest den Ansatz eines Perspektivenwechsels mitzubekommen, das liebenswerte Trio kennenzulernen und sich zu fragen, warum das Leben eigentlich immer so verdammt kompliziert sein muss.
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