(OT: „Hunky Dory“, Regie: Michael Curtis Johnson, USA, 2016)
Sidney (Tomas Pais) liebt seinen Sohn George (Edouard Holdener) über alles, keine Frage. Er freut sich, ihn zu sehen, Zeit mit ihm zu verbringen, mit ihm herumzualbern. Meistens zumindest. Wenn er jedoch gerade zur Arbeit muss, dann ist ihm das doch eher unangenehm, schließlich verdient Sidney sein Geld als Drag Queen auf der Bühne. George wiederum denkt, dass sein Vater ein Rockstar ist. Und so soll es nach Möglichkeit auch bleiben. Bisher hat das mit dem Verheimlichen ganz gut geklappt. Als Sidneys Exfrau George bei ihm ablädt und anschließend spurlos verschwindet, wird Sidney jedoch ein wenig nervös. Nicht nur, dass er seinen Lebensstil nicht wie gewollt ausleben kann. Es fällt ihm dadurch zunehmend schwerer, seinen wahren Beruf zu verheimlichen.
Das Porträt eines Nicht-Helden
Sidney ist ein Mann, in dessen Brust sicherlich zwei Herzen schlagen – und das nicht nur, weil es für den offen Bisexuellen keinen wirklichen Unterschied macht, mit welchem Geschlecht er da ins Bett hüpft. Er ist zudem jemand, der allgemein ganz gern mal zwischen zwei Polen gefangen ist. Im einen Moment schreitet er stolz über die Bühne, druckst im nächsten herum, wenn er mit seinem Sohn redet. Er lehnt barsch Annäherungsversuche ab, nur um sich in der darauffolgenden Szene doch wieder jemandem zu unterwerfen. Da er auch sonst nicht wirklich viel auf die Reihe bekommt, in seiner Geldnot auf zweifelhafte Methoden zurückgreift, ist er sicher alles andere als Helden- oder wenigstens Vorbildmaterial.
Aber auch das ist eben nur die halbe Antwort. Die schönsten Momente von Hunky Dory sind die, wenn er sich um seinen Sohn kümmert. Und davon gibt es einige. Ein Rabenvater ist er nicht, sondern einfach nur ein Mensch mit diversen Makeln und Problemen – weit entfernt von den Abziehbildern, die man hin und wieder im LGBT-Bereich zu sehen bekommt. Der Film porträtiert Sidney als jemanden, der schon ganz gerne das Richtige tun würde, aber nicht ganz weiß, wie das gehen soll. Jemand, der tendenziell mit dem Leben überfordert ist. Regisseur Michael Curtis Johnson, der zusammen mit Hauptdarsteller Tomas Pais auch am Drehbuch geschrieben hat, hält hier schön die Balance zwischen den widersprüchlichen Seiten. Mal mag man Sidney, mal eher weniger, mal will man nur noch mit den Augen rollen, wenn er gerade wieder Mist baut.
Für Freunde leiser, beiläufiger Filme
Die ganz großen Dramen gibt es bei Hunky Dory jedoch nicht. Vielmehr zeichnet sich der Beitrag von der zweiten Ausgabe des QFFM – Queer Film Festival München dadurch aus, dass er beiläufig aus dem Leben der beiden erzählt, Wichtiges mit Banalem kombiniert. Einige Tage folgen wir den zweien, bekommen kleinere Einblicke in den Alltag. Kontexte sind eher Mangelware. Verständnisprobleme sind dennoch eher unwahrscheinlich, da es in dem Film stärker um die Atmosphäre und die Gesamtsituation geht, weniger um Details und Einzelheiten.
Das ist teilweise ganz schön, entspannt und warmherzig, es wechseln sich witzige und rührende Momente ab. Aber nicht immer funktioniert das episodenhafte Vorgehen. An manchen Stellen ist Hunky Dory dann doch zu abrupt, gerade auch bei den Dialogen, wenn die Anekdoten schlicht nicht den Raum bekommen, um sich natürlich zu entwickeln. Andere Zuschauer werden vielleicht auch das gegenteilige Problem haben: Der Film hat keine echte Dramaturgie oder gar Spannungskurve. Der Punkt des verschwiegenen Berufes steht zwar etwas mehr im Vordergrund, wird aber ebenso wie die Vorgeschichte von Sidneys Exfrau nur gelegentlich aufgegriffen. Die Tragikomödie eignet sich daher weniger für Leute, die eine wirkliche Geschichte brauchen. Freunde leiser Filme, die sich eher durch das Aufzeigen eines Lebensgefühls auszeichnen, dürfen hier aber mal reinschauen.
(Anzeige)