(OT: „Immer noch jung – 15 Jahre Killerpilze“, Regie: David Schlichter/Fabian Halbig, Deutschland, 2017)
Heute in der Rubrik „Ach echt, die gibt es immer noch?“: die Killerpilze. Die waren vor etwas mehr als zehn Jahren richtig erfolgreich, ihr Major-Debüt „Invasion der Killerpilze“ erreichte Platz 7 der deutschen Albumcharts. Der Nachfolger „Mit Pauken und Raketen“ schaffte es immerhin noch auf Platz 14. Danach wurde es still um die Jungs. Gewissermaßen. Musik haben sie auch weiterhin gemacht, laute Musik sogar. Nur wollte die im Anschluss keiner mehr hören. Aufgelöst hat sich die Band jedoch nie, nimmt noch immer Alben auf und versucht irgendwie Anschluss an den sich veränderten Zeitgeist zu finden. Ein Publikum zu finden.
Das hört sich ziemlich traurig an. So wie es immer irgendwie traurig ist, alten Bands zuzuschauen, die ausrangiert wurden und nun durch Hinterhöfe und über Volksbühnen tingeln. Nur: Die Killerpilze sind nicht alt. Zwischen 25 und 28 sind die drei verbliebenen Mitglieder, Immer noch jung ist als Titel der ihnen gewidmeten Doku nicht unpassend gewählt. Und das war eben auch ihr Problem damals. Das Alter. Als Schülerband gegründet wurden sie schnell zum Traum kreischender Teeniemädels, die Mischung aus Punkattitüde und Kleinjungencharme traf den Nerv der Gleichaltrigen. Doch die Zuschauer wurden älter, wollten plötzlich etwas anderes. Vom einstigen Hype um die vier blieb nur ein Bravo-Cover und das Image der Teenieband – und das hat nun mal eine begrenzte Haltbarkeit.
Gefangen in einer desinteressierten Branche
Dabei wollten sie das eigentlich gar nicht so haben, wenn man nach Immer noch jung geht. Sie wollten Punker sein, unangepasst, provokativ, gleichzeitig aber angehimmelt. Auch wenn die beiden Regisseure David Schlichter und Fabian Halbig ihre Protagonisten nicht allzu hart rannehmen, die Widersprüchlichkeiten unkommentiert bleiben, so kommt doch schön rüber, mit welcher Naivität die Band damals startete. In ihrem Kinderzimmer nahmen sie die erste Musik auf, träumten vom großen Erfolg, wollten cool sein und wurde dadurch zum gefunden Fressen für die Musikbranche, die einfach nur eine neue Sau durchs Dorf treiben wollten. Ein langfristiges Konzept hatte man damals wohl nicht für die vier, als die Verkaufszahlen zurückgingen, wurden sie blitzschnell wieder fallengelassen.
Immer noch jung ist damit nicht nur eine Doku über die Karriere aufstrebender Musiker. Es ist auch eine kleine Abrechnung mit dem Musikgeschäft, mit den Medien, mit dem Publikum. Man ist so sehr mit dem hier und jetzt beschäftigt, mit Image und Profiten, dass die Menschen auf der Bühne schnell vergessen werden. Hier kommen die drei verbliebenen Mitglieder zu Wort, dürfen etwas in Erinnerungen schwelgen und von ihrem Kampf berichten, endlich einmal ernst genommen zu werden. Und man nimmt es ihnen ab, wie sie so dasitzen, von Ochsentouren sprechen, von einer Crowdfunding-Kampagne, um das neue Album auf die Beine zu stellen, von den Kompromissen auch, die ihnen wohl nicht immer ganz bewusst waren.
Sehenswert, wenn auch etwas unpersönlich
Das ist sehenswert, nicht nur für die Fans, die ihnen bis heute treu geblieben sind. Man muss die Musik nicht mögen, um die drei für ihren Kampf und ihre Leidenschaft zu bewundern. Dafür, dass sie immer noch da sind, 15 Jahre später. Es lohnt sich auch, bei den eingespielten Liedern ein bisschen auf die Texte zu achten. Denn die sind teilweise deutlich selbstironischer, als man es angesichts ihres Images hätte vermuten können. Die Persönlichkeit der drei bleibt hingegen weitestgehend außen vor, auch das Privatleben wird irgendwann ausgeblendet. Wer mehr über die Leute dahinter erfahren wollte, geht eher leer aus. Aber es ist eine schöne Geschichte, die Mut macht, an seinem Traum festzuhalten – weshalb die Doku auf dem 35. Filmfest München nicht ganz zufällig den Publikumspreis gewonnen hat. Schließlich kann sich hier jeder wiederfinden, der im Leben um etwas kämpfen musste, selbst wenn niemand an einen glaubte.
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