(OT: „Kikujirô no natsu“, Regie: Takeshi Kitano, Japan, 1999)
Für Masao (Yusuke Sekiguchi) gibt es nur einen großen Traum: Er will endlich einmal bei seiner leiblichen Mutter sein! Als er eines Tages zufällig ihre Adresse herausfindet, ist der Entschluss schnell gefasst, auf eigene Faust dorthin zu reisen. Ganz alleine bleibt er aber nicht lange. Zum Glück! Denn wenn der ältere Kikujiro (Takeshi Kitano) nicht gewesen wäre, hätten die Jugendlichen wohl Kleinholz aus dem Jungen gemacht. So aber treten die beiden die Reise gemeinsam an, lernen unterwegs die unterschiedlichsten Menschen kennen und müssen auch das eine oder andere Abenteuer bestreiten.
Ob er nun als Schauspieler auftritt oder selbst Regie führt, man verbindet Takeshi Kitano doch ganz gern mit düsteren, gar härteren Filmen. Hana-Bi – Feuerblume zum Beispiel, Gonin oder auch seine Outrage-Trilogie. Dass er aber auch ganz anders kann, zeigt seine rührende Tragikomödie Kikujiros Sommer aus dem Jahr 1999, der vielleicht schönste Film im Gesamtwerk des Japaners. Wobei er natürlich auch da hin und wieder mit den Abgründen der menschlichen Existenz spielt. Masao ist ein einsamer Junge, der im Sommer niemanden zum Spielen hat, dessen Mutter nichts von ihm wissen will. Nur wenige Szenen und noch weniger Worte braucht Kitano, um uns die Situation seines kleinen Protagonisten aufzuzeigen. Und unsere Mitleid für ihn zu wecken.
So absurd wie das Leben
Allgemein verzichtet Kitano auf ausführliche Dialoge oder Beschreibungen. Oft reichen ihm kleine Symbole, die Situationen sprechen hier für sich. Das gilt auch für den Humor, der oftmals auf Slapstick vertraut. Oder auch auf die schiere Absurdität einer Szene. Wenn beispielsweise ein bedrohlich dreinblickender Biker vor dem dominant auftretenden Kikujiro kuscht, ihm nicht mehr als ein „Das ist nicht nett“ über die Lippen kommt, dann unterwandert das so ziemlich jede Erwartung, die man hier so mitbringt.
Auch sonst genießt Kitano sichtlich seine Rolle als griesgrämiger Opa, dem so nichts und niemand etwas zu sagen hat. Der sich gern auch mit Leuten anlegt, die eigentlich im Recht sind – was ihm dann meistens ziemlich egal ist. Kikujiros Sommer spielt dann auch sehr stark mit diesem Kontrast: Der harte Knochen auf der einen Seite, der zurückhaltende, schüchterne Junge auf der anderen. Gemeinsam haben sie erst einmal nichts und doch auch eine Menge. Der Film erzählt vordergründig zwar die Geschichte eines Kindes, das seine Mutter sucht. Am Ende aber ist es Kikujiro und diversen anderen Chaoten, die sich der Reise anschließen, welche für den Jungen von Bedeutung sein werden. Denn hier ist er jemand, wird wahrgenommen, darf mitspielen.
Bekannt, aber doch eigen
Das ist vom Prinzip her weder neu, noch sonderlich überraschend. Griesgrämige Männer mit einem weichen Herz? Die laufen einem in Filmen nun doch recht häufig über den Weg. Kikujiros Sommer schafft es aber, sich von dieser großen, triefenden Masse abzuheben. Er ist skurril bis bescheuert, manchmal auch richtig albern, tut dies aber auf eine so offene, herzliche Weise, dass man sich auch als eher zynisch veranlagter Mensch oft das Grinsen nicht verkneifen kann. Und natürlich rührt es eben auch, wie hier eine Gruppe von Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen zu Außenseitern wurden, hier zusammenfinden. Sie werden auch am Ende nicht ihren Weg in die Gesellschaft finden, eine richtig tolle Entwicklung machen die Chaoten nicht durch. Aber das müssen sie auch gar nicht. Kikujiros Sommer ist eine Liebeserklärung an die Verlierer und die Bekloppten, an das Leben, in welchen Formen und Farben es am Ende erscheinen wird. Ein bisschen nostalgisch, etwas wehmütig und auch selbstvergessen. Aber eben auch selbstbewusst und widerspenstig.
(Anzeige)