(OT: „Herfra til Flåklypa“, Regie: Rasmus A. Sivertsen, Norwegen, 2015)
Wenn die Elster Louis eine Schwäche hat, dann ist es die, sich ständig zu beweisen müssen. Ein Wettbewerb oder eine Herausforderung? Keine Chance, dass er sich das durch die Lappen gehen lässt. Und so ist er dann auch Feuer und Flamme, als er von dem Käserennen hört, das seit Jahrhunderten zwischen zwei Ortschaften ausgetragen wird. Endlich kann er es den anderen mal zeigen, dass er ein richtiger Champion ist! Dafür ist er sogar bereit, das Haus seines Freundes Alfie zu verwetten. Ohne dass der davon weiß natürlich. Warum auch, wenn er den Sieg sowieso schon in der Tasche hat? Als er, Alfie und Igel Luca mit dem Rennen beginnen, kommen Louis dann aber doch kleinere Zweifel. Umso mehr, als er feststellt, dass das gegnerische Team einen waschechten Gorilla dabei hat …
Wenn von großen Stop-Motion-Künstlern die Rede ist, dann werden die Zuschauer von heute in erster Linie an die britischen Aardman Animations (Wallace & Gromit – Die Techno-Hose, Chicken Run – Hennen rennen) oder auch das amerikanische Laika (Kubo – Der tapfere Samurai, Coraline) denken. Etwas ältere und versierte Semester schwärmen vielleicht auch noch von der Tschechoslowakei, die einst Visionäre wie Jan Švankmajer (Alice) hervorgebracht hat. Sehr viel weniger bekannt ist, dass auch Norwegen eine kleine, aber feine Tradition in dieser altehrwürdigen Animationstechnik vorzuweisen hat. Legendär ist beispielsweise der Film Hintertupfinger Grand Prix, der Mitte der 70er immerhin 5,5 Millionen Kinotickets verkaufte – beachtlich für ein Land, das aktuell gerade mal 5,2 Millionen Einwohner hat.
Nachkomme einer langen Tradition
Louis & Luca – Das große Käserennen ist ein direkter Nachkomme dieses Klassikers. Nicht nur, weil Regisseur Rasmus A. Sivertsen an besagtem Stop Motion festhält. Sein Film basiert sogar auf denselben Figuren des norwegischen Autors Kjell Aukrust, auch wenn sie hier wie schon in Louis & Luca und die Schneemaschine anders heißen als vor 40 Jahren. An den Figuren selbst hat sich dafür wenig getan. Louis ist etwas vorlaut, egozentrisch und unbekümmert, Luca dafür besonnen, eher träge und manchmal recht ängstlich. Abgerundet wird das Trio durch Alfie, seines Zeichens brillanter Erfinder à la MacGyver.
Der Spaß bei Das große Käserennen besteht dann oftmals auch aus der Interaktion der drei grundverschiedenen Protagonisten, ergänzt um ein paar wirklich fiese Kerle. Klar ist das nicht sonderlich anspruchsvoll, die Zielgruppe sind nun mal Kinder. Aber es sind liebenswerte Figuren, die Aukrust da geschaffen hatte. Wo heutige Animationsfilme auf Tempo, Slapstick und eine Dauerbeschallung mit austauschbaren Popnummern vertrauen, da reichen dem Norweger ein paar schrullige Tiere und ein großer Laib Käse.
Kauzige Figuren und eine liebevolle Optik
Selbst als Erwachsener darf man hierbei seinen Spaß haben, wenn die drei mit skurrilen Erfindungen unterwegs sind, umso mehr, da das Rennen immer mal wieder durch kleinere Absurditäten aufgelockert wird. Die bescheuerten Beiträge des begleitenden Fernsehteams sind zum Beispiel regelmäßig für Lacher gut. Und dann wären da noch die Waldbewohner, die von einem besonders schlecht gelaunten Bären zu kleineren Fabelwesen reichen, die entfernt an solche aus Kiwi & Strit oder Ronja Räubertochter erinnern – typische Kauze aus Skandinavien eben.
Die sind wie alles hier liebevoll von Sivertsen und seinem fleißigen Studio Qvisten Animation umgesetzt. Es gibt viele schöne Details, gleich ob wir in einem zugemüllten Zimmer oder im Wald unterwegs sind: Da darf sich so mancher computergenerierte Film gern ein wenig was abschauen. Vergleichbare Effektgewitter wie bei den Kollegen aus den USA gibt es hier natürlich nicht, da werden mit ganz anderen Budgets gearbeitet. Gerade bei den Köpfen ist das hier doch deutlich steifer, als man es inzwischen gewohnt ist. Aber darüber wie über den vorhersehbaren Plot lässt sich leicht hinwegschauen: Das große Käserennen ist ein charmanter kleiner Film mit dem Herzen an der richtigen Stelle und einer schönen Botschaft zum Ende hin. Wer also einen neuen Animationsfilm für den Nachwuchs braucht, sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, diesen seltenen Kinobesuch der Norweger mitzuerleben.
(Anzeige)