Patti Cake
© 20th Century Fox

Patti Cake$ – Queen of Rap

(OT: „Patti Cake$“, Regie: Geremy Jasper, USA, 2017)

Patti CakeRespekt? Nein, den bekommt Patricia Dombrowski (Danielle Macdonald) so gut wie nie. Nicht von ihrer Mutter Barb (Bridget Everett), einer alkoholkranken Friseurin, die von einem Mann zum nächsten wechselt. Nicht von ihrem sonstigen Umfeld, das sie wegen ihrer Leibesfülle meistens nur „Dumbo“ nennt. Nur wenn sie mit Hareesh (Siddharth Dhananjay) zusammen ist, erscheint ihr das Leben wieder lebenswert. Denn beide träumen von einer großen Karriere als Rapper. Doch erst als sich Patricia, die sich selbst den Künstlernamen Killer P gegeben hat, mit ihrer Oma (Cathy Moriarty) und dem Außenseiter Basterd (Mamoudou Athie) zusammentut, scheint der Traum zum Greifen nahe zu sein.

Um eines vorwegzunehmen: Patti Cake$ lebt von seiner Hauptfigur. Das ist bei Filmen, die nach Protagonisten benannt sind, zugegeben nicht wirklich unüblich. Selten aber ist es so auffällig wie hier. Das liegt schon an der grotesken Erscheinung von Patricia: Rapper, das sind dem Klischee nach bedrohliche schwarze Männer mit Gewaltfantasien, Goldketten, aufgemotzten Autos und halbnackten Playmates an ihrer Seite. Patricia hat nichts davon, kann sich nichts davon leisten. Und sie sieht auch nicht so aus. Sie ist klein, übergewichtig, eine Frau und dazu noch weiß. Das beißt sich an so vielen Stellen mit dem üblichen Bild eines Rappers, dass man nicht weiß, ob man sie bewundern oder auslachen soll.

Selbstsuche und Selbstbehauptung
Die Figuren im Film entscheiden sich meistens für Letzteres. Die einen, weil sie selbst ihren Kleingangsterfantasien nachrennen und nicht vorhaben, sich von festgelegten Rollenmustern zu lösen. Ihr großes Vorbild O-Z (Sahr Ngaujah), dem sie eines Tages durch einen Zufall begegnet, wird ihr hingegen vorwerfen, einfach nur zu kopieren und nicht authentisch zu sein. Die beiden unterschiedlichen Positionen fügen sich zu einer gemeinsamen Frage zusammen: Wer genau ist Patricia Dombrowski eigentlich? Das ist klassisches Coming-of-Age-Material, im Laufe des Films wird die angehende Künstlerin nach ihrem Platz in der Welt suchen. Kombiniert wird das mit einer typischen Außenseitergeschichte: Das hässliche, korpulente Entlein wird es den aufgeblasenen Gänserichen so richtig zeigen.

Tatsächlich neue Impulse oder kreative Kniffe wird man beim Spielfilmdebüt von Regisseur und Drehbuchautor Geremy Jasper daher vergeblich suchen. So wie Killer P einen Lebensstil zu imitieren versucht, so hält sich auch der Filmemacher recht streng an die üblichen Indie-Konventionen. Fast nichts passiert, das nicht schon vorher angekündigt war. Da kann man natürlich kritisieren, wenn man mag. Und doch will man dem Musikdrama die Vorhersehbarkeit nicht so wirklich übelnehmen. Dafür ist Patti Cake$ – Queen of Rap einfach zu sympathisch, an vielen Stellen auch zu mitreißend und energiegeladen.

Zwischen Humor, Herz und Naturgewalt
Die Australierin Danielle Macdonald, nicht nur aufgrund ihrer australischen Nationalität und fehlenden Rap-Erfahrungen eine wenig naheliegende Besetzung, macht sich die Rolle zu eigen und gibt ihr eine sehenswerte Mischung aus Aufmüpfigkeit und Verletzlichkeit. Im einen Moment ist sie ein kleines Mädchen, das einen arroganten Tellerwäscher anhimmelt und beim Vorstellungsgespräch herumdruckst. Im anderen wird sie zu Killer P, einer Rapgöttin, die alles und jeden in Grund und Boden stampft. Das kann durchaus witzig sein, wenn sich Patricia mal wieder in einer ihrer skurrilen Fantasien rettet. Allgemein hat Jasper seine Geschichte mit viel Humor aufgewertet: Vor allem Pattis Band PBNJ ist so herrlich bescheuert zusammengewürfelt, dass es eine helle Freude wird.

Aber auch die regulären Momente, wenn die Nachwuchskünstlerin vom Leder lässt, sind mehr als sehens-, vor allem hörenswert. Man muss nicht einmal selbst Rapfan sein, um an den ausgefeilten Reimen seinen Spaß zu haben. An der puren Wucht. Killer P mag sich nach einem Lebensstil sehnen, der gar nicht ihrer ist, sie tut dies aber so vehement und virtuos, dass man sie dafür bewundern muss und will. Leisere Szenen gibt es in Patti Cake$ natürlich auch und machen mit den Charme des Films aus. Die Naturgewalt hält inne, hört in sich selbst hinein, macht weiter – aus Trotz, aus Überzeugung, aus Leidenschaft. Wenn sie am Ende doch noch ihre Stimme findet, es auch gar nicht mehr so wichtig für sie ist, Anerkennung durch andere zu finden, dann ist das ebenso wenig überraschend wie der Rest des Films. Aber es fühlt sich gut an. Beschwingt und voller Mut verlässt man das Kino wieder, mit der festen Überzeugung, dass man seine Träume eben doch verwirklich kann. Man muss sie nur erst finden.



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Eine dicke, weiße Frau will Rapperin werden? Hört sich komisch an. „Patti Cake$“ ist das auch oft. Allerdings macht sich das Musikdrama nicht über die Protagonistin lustig, sondern zeigt sie als unsicheren Menschen auf der Suche nach Anerkennung und einer eigenen Stimme. Das ist selten überraschend, strotzt aber vor Leben und ist aufgrund der virtuosen Hauptdarstellerin auch für Nicht-Rap-Fans sehenswert.
7
von 10