(OT: „Professor Marston & the Wonder Women“, Regie: Angela Robinson, USA, 2017)
Dr. William Marston (Luke Evans) ist ein angesehener Professor an der renommierten Harvard-Universität, intelligent, charmant, erfolgreich. Aber er will mehr. Der Psychologe arbeitet schon seit Jahren an einer Theorie zu menschlichem Verhalten, zusätzlich werkelt er mit seiner Frau Elizabeth Marston (Rebecca Hall) an einem Lügendetektor. Doch erst als die Studentin Olive Byrne (Bella Heathcote) als Assistentin bei ihnen anfängt, kommt Bewegung in die Geschichte – sowohl beruflich als auch privat. Die Öffentlichkeit ist von der Liebesbeziehung der drei schockiert. Und auch Marstons Erfindung der aufreizenden Comic-Amazone Wonder Woman stößt nicht bei jedem auf Gegenliebe.
Eines muss man Angela Robinson ja lassen: Die Regisseurin und Drehbuchautorin hat mit ihrem neusten Film einen ziemlich guten Zeitpunkt gewählt. Nachdem der erste Auftritt der Amazone in Batman V Superman: Dawn of Justice zu einer Witznummer wurde, avancierte der Soloauftritt Wonder Woman vor einigen Monaten zu einem echten Überraschungserfolg sowohl beim Publikum wie auch bei den Kritikern. Und kurz bevor es in Justice League zu einem erneuten Gipfeltreffen kommt, darf nun Professor Marston & the Wonder Women um die Gunst der Comicfans buhlen und erzählen, wie die Figur überhaupt entstanden ist.
Von strahlenden Heldinnen und fesselnden Sadomaso-Spielchen
Was auf dem Papier wie ein idiotensicherer Hit aussah, ist es am Ende dann aber doch nicht. Zumindest nicht in wirtschaftlicher Hinsicht: In den USA floppte das Biopic kürzlich böse. Das dürfte nicht zuletzt auch damit zusammenhängen, dass die Figur und der Mann dahinter in einem so starken Widerspruch stehen. Auf der einen Seite haben wir die strahlende – um nicht zu sagen etwas zu makellose – Kämpferin, ein Labsal für all die Menschen, die für pathetische Heilewelt-Heldensagen empfänglich sind. Auf der anderen Seite ein Mann, der bei all seinem Charme mindestens kontrovers ist. Wenn nicht gar ein bisschen unheimlich. Fesselspielchen? Sadomaso-Elemente? Eindeutig sexuelle Posen? Wer die immer mal wieder eingeblendeten Comicszenen aus den 1940ern sieht, reibt sich vor Verwunderung die Augen. Da mögen die heutigen Filme aus dem DC Cinematic Universe noch so düster tun, die Ursprünge bieten Einblicke in ganz andere Abgründe.
Und doch ist Professor Marston & the Wonder Women selbst weder düster noch unheimlich. Im Gegenteil: Das Biopic macht Spaß, wie es nur selten eins tut. Das liegt an den immer wieder eingebauten witzigen Situationen, die den Film zuweilen fast zur Komödie werden lassen. Das liegt auch an dem fabelhaften Darstellertrio, das sich gegenseitig unentwegt überbietet. Dasso viel Spielfreude mitbringt, dass der Inhalt fast schon egal ist. Luke Evans (Die Schöne und das Biest) als realitätsfremder Exzentriker. Rebecca Hall (The Dinner) als wunderbar bissige Intellektuelle, die es der Männerwelt nicht verzeiht, dass sie ignoriert wird. Bella Heathcote (The Neon Demon) als anfänglich unschuldig wirkende Studentin, die ungewollt alle ins Unglück reißt.
Der Kampf für die freie Liebe
Oder ist es kein Unglück? Professor Marston & the Wonder Women befasst sich – anders als man erwarten dürfte – nur beiläufig mit der Erschaffung der Comic-Ikone. Die Rahmenhandlung des Films bildet eine Diskussion, in der Marston seine Kreation verteidigt und seine Ideen dahinter erläutert. Und die gehen eben weit über die üblichen Heldenparameter hinaus. Wahrheit spielt eine große Rolle, in dem magischen Lasso von Wonder Woman, aber auch im Lügendetektor, den die Marstons entwickelten. Liebe, Sex, Unterwerfung. Vertrauen. Die Frage: Kann man eigentlich zwei Menschen auf einmal lieben? Wo es in anderen Liebesfilmen am Ende eben nur den einen Traumpartner bzw. die eine Traumpartnerin geben kann, bleibt es hier bei dem Liebesdreieck. Der Kampf um eine solche Liebe, das war eben auch ein Bruch mit Konventionen.
Dass es Robinson dabei selbst nicht so ganz genau mit der Wahrheit nahm und hin und wieder der Dramatik wegen flunkerte, das ist angesichts des Themas natürlich schon irgendwo ironisch. Und zumindest für die Nachkommen der Marstons sogar so ärgerlich, dass sie immer wieder öffentlich betonen, dass vieles an der Geschichte frei erfunden wurde – darunter eben das Liebesdreieck. Aus Zuschauersicht ist das eher weniger störend. Schade ist lediglich, dass manche Aspekte ein bisschen plakativ geraten sind und die Querverbindungen zwischen Comic und Leben auf eine einfallslose Weise breitgetreten werden, ohne ihnen viel Inhalt mitzugeben. Gerade für einen Film, der so sehr eine Lanze für das Unkonventionelle und Mutige brechen will, ist das hier manchmal enttäuschend. Aber auch das verzeiht man gern, dafür ist diese etwas andere Origin Story zu unterhaltsam und auch zu schön anzuschauen.
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