Simpel
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(OT: „Simpel“, Regie: Markus Goller, Deutschland, 2017)

„Simpel“ läuft ab 9. November 2017 im Kino

Mit Gelegenheitsarbeiten verdient sich Ben (Frederick Lau) ein paar bitter nötige Euros dazu, um die Medizin für seine sterbenskranke Mutter zu finanzieren. Kaum zu Hause angekommen, muss er sich zudem um seinen geistig behinderten Bruder Barnabas (David Kross) kümmern, den er liebevoll „Simpel“ nennt. Der reißt gerne aus, geht auf Entdeckungstouren mit seinem Kuscheltier Monsieur Hasehase und macht ansonsten auch nur Unsinn. Fremde Hilfe lehnt Ben ab. Als ihre Mutter unerwartet stirbt, wird ihm die Entscheidung abrupt abgenommen. Simpel soll ins Heim! Ihre einzige Hoffnung: der verschollene Vater, der sich damals aus dem Staub machte und sie im Stich ließ. Mit einer hollywoodreifen Autoflucht machen sich die beiden Brüder auf den Weg gen Hamburg, wo der nun leben soll. Sie begegnen neuen Freunden, stellen sich neuen Herausforderungen und entdecken eine für sie vollkommen neue Welt – während sie von der Polizei gesucht werden.

Am Anfang war das Buch
Als der Hamburger Produzent und Geschäftsführer von Letterbox Filmproduktion Michael Lehmann auf einer Urlaubsfahrt das deutsche Hörbuch zum französischen Erfolgsroman von Marie-Aude Murail hörte, brauchte er nicht lange und griff zum Hörer. Jahre später kommt der Film in die deutschen Kinos und verspricht nicht nur ein herzhaftes Familiendrama, sondern vor allem geballte Schauspielerkraft aus dem eigenen Land, die den wirkenden Figuren ihr Leben einhauchen. Übernehmen Frederick Lau (Das kalte Herz) sowie David Kross (Boy 7) das unverkennbare Brüderpaar, schlüpfen Emilia Schüle (High Society) als Aria, Axel Stein (Männertag) als Enzo und Devid Striesow (Ich bin dann mal weg) als Vater in die tragenden Nebenrollen. Ein sorgfältig ausgesuchtes Ensemble, welches die deutsche Adaption auf eine Tandemfahrt der Gefühl schickt.

Zwei Brüder, ein Leben
Mit quietschenden Reifen geht es Richtung Neuland – Hamburg. Einen Plan haben die beiden allerdings nicht, schließlich ist ihnen die Polizei weiterhin auf der Spur. Warum? Ein geklautes Polizeiauto, ein verletzter Vertreter des Heims sowie etliche weitere Reibungspunkte mit dem Staatsgesetz. Dabei will Ben nur eins – sich um seinen Bruder kümmern. Der bringt ihn nicht selten an den Rand der Verzweiflung und benötigt stetige Beaufsichtigung. Nach einem Quasilorteneis, wie Simpel Erdbeereis nennt, ist die Frustration meist wieder verflogen. Was bleibt, ist die unerschöpfliche Liebe zu seinem Bruder, für den er bis zum Äußersten geht.

Ein Leben entzweit
In Hamburg angekommen, werden Ben seine eigenen Grenzen erst wirklich bewusst. Mit Hilfe der Medizinstudenten und neugewonnenen Freunde, Aria und Enzo, gelingt es ihm, dem neugierigen Simpel temporär Herr zu werden – doch für wie lange? Die Zwischenfälle häufen sich: Erst geraten sie in eine Auseinandersetzung mit einem Zuhälter, dann fackelt in einem unachtsamen Moment beinahe Arias Wohung ab, bevor er später spurlos verschwindet. Währenddessen nimmt Ben Kontakt mit seinem Vater auf, der überraschend begeistert von dem Besuch seines Sohnes ist, bis er hört, dass auch Simpel mit von der Partie ist. Die Emotionen schäumen über und bringen unterdrückte Gefühle zum Vorschein, die längst überfällig sind.

Ein Neuanfang
„Ben und Simpel. Simpel und Ben“, wie sich die Brüder das gegenseitige Vertrauen aussprechen. Die Zuneigung spürt man in jeder Pore des Films, der mit seinen humorvollen Ansätzen und herzergreifenden Momenten die Gefühlsgipfel gleich mehrmals erklimmt und bewältigt. Gerade Frederick Lau geht in seiner Rolle auf, macht sie zu seiner eigenen und setzt noch einen oben drauf. Der Berliner stellt wieder einmal sein schier unerschöpfliches Potential zur Schau, wie man es auf diese Art und Weise noch nicht erleben durfte. Einziger Kritikpunkt des Films ist eine sich wiederholende Erklärung des Problems – dass Ben sichtlich mit der Situation überfordert ist. Dies wird in gleich mehreren Szenarien deutlich und führt spätestens nach dem letzten Aufeinandertreffen mit dem Vater zu einer leichten Übersättigung. Eine verkraftbare Nuance, die der ansonsten vielfältigen Verfilmung letztendlich dennoch die brillierende Windböe aus den Segeln nimmt, bevor sie zum bitter-süßen Ende ansetzt.



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Ein unfassbar bewegender Frederick Lau krönt eine rundum gelungene Adaption der Romanvorlage, die in ihrem Verlauf zwar an Ausdruck einbüßt, in dem handlungstragenden Brüderpaar aber eine selten gesehene Synergie aufweist, deren gegenseitige Wertschätzung dem Zuschauer bis zu Letzt in ihrer Gesamtheit erhalten bleibt.
8
von 10