The Levelling

The Levelling

(OT: „The Levelling“, Regie: Hope Dickson Leach, UK, 2016)

The Levelling
„The Levelling“ läuft im Rahmen des 17. Filmfestivals Münster (4. bis 8. Oktober 2017)

Es ist ein sehr trauriger Anlass, der Clover (Ellie Kendrick) zurück zu der Farm ihrer Familie geführt hat. Ihr Bruder Charlie ist tot, ein Zwischenfall mit einem Gewehr. Ein Unfall, so sagt ihr Vater Aubrey (David Troughton), der nicht über das Ereignis sprechen will. Momentan hätten sie ohnehin Besseres zu tun: Die Überschwemmungen haben dem Land zuletzt sehr zugesetzt, die Familie kämpft um das Überleben des Hofes. Immer wieder geraten Clover und Aubrey aneinander, streiten um die Vergangenheit und die Zukunft. Doch erst durch James (Jack Holden), der immer wieder auf der Farm aushilft, erfährt Clover, was sich wirklich in der letzten Zeit zugetragen hat.

Manchester by the Sea, White Sun, Männertag – es gab zuletzt schon eine ganze Reihe von Filmen, die auf das Szenario vertrauen: Menschen kommen anlässlich eines Todesfalls in die Heimat zurück und müssen sich dort mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen. Auch Regisseurin und Drehbuchautorin Hope Dickson Leach, die hier ihr Spielfilmdebüt abliefert, vertraut auf die bewährte Ausgangssituation. Warum auch nicht? Wer etwas über Menschen und die täglichen Fallstricke des Miteinanders erzählen will, muss nicht zwangsweise mehr tun. Geschichten sind oft auch deshalb bewegend, weil wir sie schon kennen und wir uns in ihnen wiederfinden.

Die üblichen Konflikte einer Familie
Viele der Konflikte, die Clover und Aubrey miteinander austragen, werden uns dann auch vertrauter vorkommen, als uns lieb ist. Vorwürfe, die jahrelang im Herzen mitgetragen wurden, ohne dass sie je zur Sprache kamen. Erwartungen an den anderen, die nicht erfüllt wurden. Enttäuschungen, weil wir uns missverstanden fühlen. Verdrängungen von Schmerzen, die einfach zu groß sind. Im Fall von Aubrey kommt noch Verbitterung hinzu, da ihm nichts mehr geblieben ist: Sein Sohn ist tot, die Tochter weg, die Farm bald auch. Es können oft Kleinigkeiten sein, welche die alten Wunden zum Vorschein bringen: Wir streiten über eine Sache und meinen eigentlich eine ganz andere.

Der eine oder andere Gedankensprung ist dann vielleicht auch als Außenstehender nicht ganz nachzuvollziehen. Da kommen Vorwürfe aus dem Nichts, Entschuldigungen ebenfalls – sofern sie denn mal kommen. Auflösungen? Mal ja, mal nein. Vieles wäre auch zu vermeiden gewesen, wenn die Leute hier einfach mal miteinander geredet hätten. Das darf man als Zuschauer ärgerlich und umständlich finden, auch wie wenig die Geschichte vorangeht. The Levelling folgt keinem echten roten Faden, sondern besteht aus einer Ansammlung von Einzelmomenten, die nicht aufeinander aufbauen.

Bewegend und bedrückend
Man darf dies aber auch sehr bewegend finden. Die Szenen beispielsweise, in denen die Vegetarierin und angehende Tierärztin Clover mit dem wenig mitfühlenden Aubrey zusammenstößt, da prallen Weltsichten aufeinander – persönliche Tragik und universelle Meinungsverschiedenheiten werden zu eins. Das ist auch der fantastischen Darsteller wegen sehenswert: David Troughton als grimmiges, verschlossenes Familienoberhaupt, Ellie Kendrick als junge Frau, die ihren Weg noch sucht.

Zudem verwöhnt uns der Beitrag vom 17. Filmfestival Münster mit bedrückenden Bilder der englischen Provinz. Leach entscheidet sich vergleichbar zu ihrer Kollegin Andrea Arnold (Wuthering Heights, American Honey) für sehr raue, naturalistische Aufnahmen. Tote Tiere, Schlamm, heruntergekommene Häuser – The Levelling bringt uns ein England näher, das von der Zeit vergessen wurde, von der Politik und Versicherungen im Stich gelassen, niemand will für Schäden aufkommen. Und doch sucht das Drama nicht den Untergang, sondern den Ausweg, findet in all der Tragik eine Annäherung, die einem nicht minder zu Herzen geht als das vorangegangene Desaster.



(Anzeige)

Eine Tragödie bringt Vater und Tochter wieder zusammen und legt dadurch viele alte Wunden frei. Das Szenario ist altbekannt und verzichtet zugunsten von Einzelepisoden auf einen roten Faden. Die Szenen selbst sind dafür oft bewegend. Vor allem die fantastischen Darsteller und die rauen Bilder sorgen dafür, dass einem „The Levelling“ trotz gewöhnlicher Geschichte in Erinnerung bleibt.
7
von 10