(OT: „Mawlana“, Regie: Magdy Ahmed Aly, Ägypten, 2016)
Ein junger, ägyptischer Scheich (Amr Saad) steht am Anfang seiner Karriere als ein gefeierter Prediger. Das Glück scheint ihm in den Schoß zu fallen: Er heiratet eine wunderschöne Frau (Dorra Zarrouk), wird zu einer festen Instanz in Fernsehtalkshows und gewinnt mit seiner tollkühnen und warmherzigen Eloquenz einen immer größeren Kreis an Fans. Währenddessen befindet sich das Land in einer politisch-religiösen Krise. Christen und Muslime stehen sich als Feinde gegenüber. Doch auch untereinander begegnen sich Muslime unterschiedlicher Ansichten mit Gewalt und Anschlägen. Als auf der Spitze seiner Karriere sein kleiner Sohn als Folge eines eines Unfalls ins Koma fällt, gerät der Prediger in ein Dilemma zwischen Ruhm und Geld, das er für die kostspielige Behandlung seines Sohnes aufbringen muss, und seinen eigenen Moralvorstellungen, die nicht immer den strikten Interpretationen des Korans und dessen Vollstreckern entsprechen. Dabei werfen ihm die “big guys”, Staatsoberhäupter und Medienbosse, mit Hinterhälten, Intrigen und falschem Spiel Steine in den Weg.
Ungewohnter Blickwinkel
Der Grundgedanke, den der Beitrag vom Filmfest Braunschweig mitbringt, ist durchaus positiv. Während er in Ägypten als Innovation gilt, für volle Kinos und Diskussionen sorgt, kann die kontroverse Perspektive auch für uns als westliches Publikum als Bereicherung dienen. In Zeiten, in denen ständig Nachrichten von terroristischen Anschlägen Schlagzeilen machen, macht The Preacher darauf aufmerksam, dass nicht nur unschuldigen Menschen in Europa und Amerika Unrecht geschieht. Der Bevölkerung arabischer Länder wird gleiches und teilweise noch schlimmeres Leid durch ihre eigene Mitbürger zugefügt. Straßenkämpfen und Bombenanschlägen fallen täglich unschuldige Zivilisten zum Opfer. Während im Film zunächst die Differenzen zwischen christlichen Gemeinden und islamischer Tradition dargestellt werden, folgt kurz darauf der Zusatz, dass es ähnliche Probleme mit ebenso gewalttätigen Konsequenzen unter muslimischen Gruppen gibt, die sich nicht einig werden können.
Die Hauptfigur Scheich Hatem, ein unkonventioneller Priester, der bekannt dafür ist, die Lehre des Korans zu vereinfachen und für jeden verständlich zu erklären, entpuppt sich bald als eine Art philosophischer Freidenker. Er ist weder Radikaler, noch Missionar. Auch wenn er es öffentlich nicht zugeben kann, akzeptiert er alle Religionen und ruft zu Einheit statt Zwiespalt innerhalb des Islams auf. Das macht ihn zu einem auf den zweiten Blick facettenreichen Charakter, der mit dem sympathischen Amr Saad wunderbar besetzt wurde, dessen Ausführungen man als Zuschauer gerne folgt.
Überfluss und Verwirrung
Das ist allerdings nicht immer ganz leicht. In The Preacher werden zahlreiche Themen angesprochen, oberflächlich angekratzt oder manchmal unerklärlicherweise zu Erzählsträngen entwickelt, während andere, wichtige Erzählelemente zu kurz kommen. Infolge dessen schwächeln die Motivation und Glaubwürdigkeit der Figuren an allen Ecken und Enden. Abgesehen von der Hauptfigur sind die Charaktere flach, langweilig und dienen meist nur jeweils einem Zweck in der Fortführung Geschichte.
Auch die Hauptthematik ist nicht offensichtlich. Vornehmlich geht es um Religion, dann aber auch um Politik. Das kann man ja gut vereinen. Die Rollen von Frau und Ehe im Islam werden kurz angesprochen. Darin verwoben ist der persönliche Leidensweg des Priesters, der wie Hiob den Prüfungen Gotts (hier Allahs) durch gefestigten Glauben standhält. Leider wird hier mit immer gleichen Szenen versucht, Emotionen zu erzeugen und dadurch nur ein repetitives und fades Ergebnis erzeugt. Und das, obwohl eine der Hauptmotivationen des Protagonisten die Liebe zum kranken Sohn sein soll. Als Zuschauer ist man ständig auf der Suche nach dem roten Faden und wenn man denkt, man hat ihn, taucht ein neuer Charakter oder eine neue Storyline auf und nimmt ihn wieder weg.
Hinzu kommen unzählige Namen und islamische Fachbegriffe, mit denen man als unkundiger 08/15-Zuschauer leicht durcheinander kommt. Leider können Kamera und Editing diese Macken nicht ausbügeln. Die Perspektiven sind meist unschlüssig. Ungewohnte Zeitsprünge in der Handlung und der Schnitt sorgen für einen unregelmäßigen Rhythmus, der es einem schwer macht, in den Film hineinzukommen. Das Zusammenspiel der Elemente der flachen Charaktere, der verzweigten, teilweise undurchsichtigen Storylines und des billigen Looks vermitteln oft das Gefühl einer Telenovela, in die man gerade erst einsteigt und die Hintergründe nicht versteht. Für einen Kinofilm ist das zu wenig.
(Anzeige)