(OT: „The Square“, Regie: Ruben Östlund, Schweden/Deutschland/Frankreich/Dänemark, 2017)
Eigentlich hat Christian Nielsen (Claes Bang) derzeit ja alle Hände voll zu tun. Als Chefkurator des renommierten X-Royal-Museums in Stockholm steckt er mitten in den Vorbereitungen für eine neue Ausstellung zum Thema Vertrauen und Fürsorge. Nur kommt ihm dabei immer wieder sein Privatleben dazwischen. Erst geht er einer Gruppe von Trickbetrügern auf den Leim, die ihm Geldbeutel und Handy klauen. Und während er noch dabei ist, mit seinem Angestellten Michael (Christopher Læssø) das Diebesgut zurückzuholen, droht schon der nächste Ärger. Die amerikanische Journalistin Anne (Elisabeth Moss), die ihn anlässlich der geplanten Ausstellung interviewt, hält nicht so wahnsinnig viel von der Grenze zwischen privat und Arbeit.
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Sollen doch andere in ihren Filmen auf fremde Planeten reisen oder Ausnahmesituationen kreieren. Ruben Östlund reicht es, sich sein Umfeld anzuschauen. Wobei er dabei eigentlich eher wenig Gutes vorfindet. Vielmehr scheint es dem schwedischen Regisseur und Drehbuchautor eine Menge Spaß zu bereiten, die hässlichen Seiten seiner Mitbürger hervorzukehren und heile Fassaden zu demontieren. In Höhere Gewalt begnügte er sich noch mit einer Familie, die nach einem Beinahe-Unglück auseinanderbricht. In seinem in Cannes auszeichneten neuen Film nimmt er so ziemlich alles und jeden aufs Korn, dem er im Alltag so begegnet ist.
Farce mit wahrem Kern
Die von Christian betreute Ausstellung basiert auf einer tatsächlichen von Östlund und dem Filmproduzenten Kalle Boman. Auch die anfängliche Raubszene sowie ein späterer Moment, in der ein Künstlergespräch immer wieder von einem der Anwesenden unterbrochen wird, basieren auf wahren Erfahrungen des Filmemachers. All diese Anekdoten nahm Östlund nun auf und spann daraus einen ganzen Film. Oder zumindest fast einen ganzen Film. Genauer merkt man The Square durchaus an, dass er keinen so richtig roten Faden hat. Er keine fortlaufende Geschichte erzählt, sondern lieber Einzelmomente zum Thema macht. Einige davon – zum Beispiel das besagte Künstlergespräch – hätte man problemlos aus dem Film streichen können, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Umso mehr, da die Laufzeit stolze zweieinhalb Stunden beträgt.
Und doch sind diese Momente oftmals so brillant, dass man gar nicht merkt, wie sehr die Zeit vergeht. Schon eine der ersten Szenen, wenn Anne Christian interviewt, entlarvt beide als ziemliche Windbeutel: Ihre Fragen sind dämlich, seine Antworten aufgeblasen. Medien und Kunstbetrieb müssen sich im Folgenden unentwegt Spott gefallen lassen. Ob es das verfressene Publikum der Ausstellung ist, bizarre Installationen oder ein Dinner, bei dem aus Spaß schnell Todernst wird, vor Östlund ist niemand sicher. Lediglich ein paar herumlaufende Kinder kommen heil davon, werden nicht völlig der Lächerlichkeit preisgegeben, vielleicht auch weil der Film sich an anderer Stelle nicht gerade zimperlich zeigt bei der Darstellung von Kindern.
Nachdenklich, spöttisch und albern in einem
Einige der Stellen regen dabei auch zum Nachdenken an. Die Ausstellung selbst beispielsweise erleben wir leider nur in Ausschnitten. Doch die geben dem Publikum einiges mit auf den weiteren Weg. Wie sehen wir andere Menschen? Vertraue ich ihnen? Und auch die zur Ausstellung geplanten Marketingkampagne zwingt uns ein wenig, uns mit unser aller Medienerwartung auseinanderzusetzen. Andere Situationen sind dafür reine Albernheit mit Hang zum Absurden. So oder so, The Square ist witzig, wie es nur wenige Filme in der letzten Zeit gewesen sind – wobei der eine oder andere Lacher gerne mal im Hals stecken bleibt. Zudem ist der moralische Fleckenteppich äußerst kunstvoll umgesetzt: Edle Aufnahmen aus der High Society und dem Museum wechseln sich mit düsteren Bildern ab, zu sehen gibt es hier eine ganze Menge. Vor allem aber beeindruckt Östlund mit seiner Schärfe. Der Film mag überlang sein, die einzelnen Bestandteile sind dafür umso stärker auf den Punkt gebracht. Die Art und Weise, wie der Schwede aus kurzen Sequenzen ein Maximum an Bösartigkeit herausholt, die ringt Respekt ab. Und auch ein klein wenig Furcht, was wohl als nächstes auf seinem Programm stehen wird.
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