(OT: „Yamishibai“, Regie: Tomoya Takashima, Japan, 2013)
Wer in den 80ern und 90ern mit Animes begonnen hat, der konnte damals schnell zu der Ansicht gelangen, dass japanischer Horror in erster Linie aus kruden Monstern und nackten Frauen besteht. Dabei hat das Land eine lange Tradition eigener Geistergeschichten und Schauermärchen, die es einem bis heute eiskalt den Rücken hinunterlaufen lassen können. Ayakashi: Samurai Horror Tales ist ein Beispiel dafür, wie spannend der reichhaltige Schatz fernöstlichen Grauens sein kann. Und auch Yamishibai bringt erfolgreich das rätselhafte Erbe in animierter Form in die Neuzeit.
Gewissermaßen. Genaugenommen werden Animationen hier nur sehr sparsam eingesetzt. Vergleichbar zu Ninja Slayer From Animation oder auch Thermae Romae verzichtet das Studio ILCA weitestgehend darauf, die Figuren animieren zu wollen. Stattdessen werden sie einfach durchs Bild geschoben, von einem gelegentlichen Wackeln begleitet. Billig? Nicht ganz. Vielmehr orientieren sich die Japaner hier an der klassischen Kamishibai-Erzählform. Die war in den 1930ern populär und bestand darin, dass Straßenkünstler zur Illustration abwechselnd Bilder in einen bühnenähnlichen Rahmen schoben, während sie ihre Geschichten mit dem Publikum teilten.
Interessante Papieroptik, gemischter Inhalt
Mit einer solchen Situation beginnt auch jede der 13 Episoden der ersten Staffel: Ein Erzähler ruft die Kundschaft herbei, bevor er mit einer neuen Geschichte beginnt. Atmosphärisch sind die sehr stark, der vermeintliche Mangel der reduzierten Optik wird vielmehr zur Stärke. Selbst ohne den Inhalt haben die Fabeln etwas Unwirkliches und Unheimliches an sich. Da wird viel mit Schatten gearbeitet, die Farben sind dafür genügsam, oft etwas verblichen. So als hätte man hier tatsächlich eine jahrzehntealte Papierrolle vor sich.
Während das Drumherum gelungen ist und Yamishibai aus der Masse an Horroranimes herausstechen lässt, ist der Inhalt eine eher zwiespältige Angelegenheit. Grundsätzliches Problem: Jede Folge dauert nur etwa vier Minuten, viel zu wenig, um wirklich viel Spannung aufzubauen. Mehrere Male verlässt man sich auch auf das Schema, dass der jeweilige Protagonist wiederholt nach einem Geist sucht, der aber erst im letzten Moment auftaucht. Ein bisschen wenig, selbst für diesen knappen Rahmen. Ein paar Kleinode sind aber auch darunter, beispielsweise der Ausflug in ein Kaufhaus oder das eigenartige Spiel der Nachbarskinder. Da die komplette Staffel weniger als eine Stunde lang ist und kostenlos bei Crunchyroll abrufbar, sollten zumindest horroraffine Animefans hier einmal vorbeischauen. Auch wenn die Serie ihr Potenzial nicht so ganz abschöpft, so hat sie doch den Charme von Gruselgeschichten, wie man sie sich früher am Lagerfeuer erzählt hat.
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