A mon age je me cache encore pour fumer

In meinem Alter rauche ich immer noch heimlich

(OT: „À mon âge je me cache encore pour fumer“, Regie: Rayhana Obermeyer, Frankreich/Algerien/Griechenland, 2016)

A mon age je me cache encore pour fumer
„In meinem Alter rauche ich immer noch heimlich“ läuft im Rahmen der 34. Französischen Filmtage Tübingen-Leipzig

Fatima (Hiam Abbass) ist eine starke und selbstbewusste Frau, die in einem algerischen Hammam als Masseuse arbeitet. Jeden Tag kommen fort Frauen zusammen, um unter sich bleiben zu können, über ihren Alltag und Nöte zu sprechen. Einig ist man sich nicht immer, dafür sind die Besucherinnen doch zu unterschiedlich. Aber sie genießen die Möglichkeit des Austauschs, fernab von männlicher Unterdrückung. Dies ändert sich jedoch eines Tages, als die schwangere Meriem (Lina Soualem) dort Unterschlupf sucht. Ihr streng gläubiger Bruder akzeptiert es nicht, dass sie ein uneheliches Kind gebären soll, und tut alles, um dies zu verhindern – notfalls mit Drohungen und Gewalt.

In den letzten Tagen häuften sich die Meldungen über sexuelle Übergriffe in Hollywood so stark, dass einem mal wieder schmerzlich vor Augen geführt wurde, wie gering Frauen selbst in liberalen Kreisen noch immer geschätzt werden – trotz aller Fortschritte. Da tut es irgendwie gut Filme zu sehen, in denen Frauen diese Bevormundung und Objektifizierung nicht ganz kampflos hinnehmen. Gerade Filmfeste eignen sich gut, diese Kämpfe auch in anderen Kulturen zu beobachten. In Between, das gerade von einem Festival zum nächsten weitergereicht wird, erzählt von drei Palästinenserinnen in Tel Aviv, die jeweils auf ihre Weise mit Unterdrückung umgehen müssen. Und auch das ebenfalls festivalerfahrene À mon âge je me cache encore pour fumer, auf Deutsch: In meinem Alter rauche ich immer noch heimlich, bringt uns einen vorsichtigen Feminismus in der arabischen Welt näher.

Ein Hammam als Ort der Begegnung
Auf den ersten Blick ist der Ausflug in den Hammam der weniger spannende Filme der beiden, auch des begrenzten Settings wegen: Ein Großteil der 90 Minuten spielt tatsächlich allein innerhalb der verschiedenen Badezimmer und besteht aus Gesprächen der Frauen. Dass À mon âge je me cache encore pour fumer auf einem Theaterstück basiert, ist also kaum zu übersehen. Wie sie so dasitzen, reden, oft auch streiten, ja, das kann man sich gut auf einer Bühne vorstellen. Wäre da nur nicht die Nacktheit. Die behinderte übrigens auch den Dreh, da in Algerien ein derart freizügiger Film nicht realisiert werden kann. Stattdessen wurde dann eben in Griechenland gedreht.

Viel interessanter sind aber ohnehin die seelischen Entblößungen, die das Drama mit sich bringt. Einige der Gespräche sind banal, handeln von Haushalt oder Kindern, andere enthalten dafür ziemlichen Sprengstoff. Bemerkenswert ist dabei, wie Regisseurin und Drehbuchautorin Rayhana Obermeyer der Übergang von einem zum anderen gelingt. Wenn es hier etwas härter zugeht, dann entwickelt sich das – meistens – natürlich aus der Situation heraus, anstatt mit dem Holzhammer etwas ins Publikum prügeln zu wollen. Dass es Defizite bei der Geschlechtergleichstellung gibt, das muss nicht groß erst thematisiert werden. Es wird hier vorgelebt.

Die Leichtigkeit des täglichen Dramas
Es bleibt dabei sogar noch ein bisschen Platz für Humor. I Still Hide to Smoke, wie der Film international heißt, baut diverse Situationen ein, die aufgrund der vielen Reibungen für Komik sorgen. Schließlich treffen hier über ein Dutzend Protagonistinnen aufeinander, im unterschiedlichsten Alter, mit den unterschiedlichsten Ansichten. Wenn die in einem engen Raum aufeinandertreffen, dann knallt das ganz gerne mal. Diese Vielzahl ist vermutlich auch das größte Hindernis als Zuschauer: Es ist nahezu unmöglich, die zahlreichen umherhuschenden Frauen wirklich auseinanderzuhalten. Nur bei einigen wenigen wurde ausreichend getan, damit sie eine eigene Persönlichkeit und Hintergrundgeschichte erhalten. Das kann mitunter sehr verwirrend sein.

Und doch ist es eben lohnenswert, für anderthalb Stunden einmal vorbeizuschauen. Die französisch-algerisch-griechische Coproduktion zeigt lebensnah den Alltag dieser Frauen, der sehr viel komplexer ist, als man es vielleicht meinen möchte. Man nimmt es dem Gewusel ab, dass es auf einem algerischen Hammam berichtet. Ein (fast) ganz normaler Tag mit Freude, Leid und Zankerei, die einer Nachmittags-Talk-Show zu Ehre gereichen würde. Mit einer Gruppendynamik, die immer wieder unterschiedliche Ergebnisse hervorbringt. Eine reguläre Veröffentlichung in Deutschland ist derzeit leider nicht geplant. Dafür wird À mon âge je me cache encore pour fumer während der 34. Französischen Filmtage in Tübingen und Stuttgart gezeigt.



(Anzeige)

Eine Gruppe von Frauen trifft sich in einem algerischen Hammam, um dort ihre Ruhe zu haben und ein bisschen zu quatschen. Das wechselt gekonnt zwischen Banalem und Existenziellen. Wer sich auf das begrenzte Theatersetting und die verwirrend vielen Figuren einlassen kann, wird bei „À mon âge je me cache encore pour fumer“ mit einem fesselnd-authentischen Ensembledrama belohnt, das auch immer wieder Humor beweist.
8
von 10