(OT: „Iceman“, Regie: Felix Randau, Deutschland/Italien/Österreich, 2017)
Vor 5.000 Jahren führte Kelab (Jürgen Vogel) mit seinem Stamm ein friedfertiges Leben in den Bergen. Bis zu jenem Tag, als er von der Jagd zurückkam und sich ihm ein schrecklicher Anblick bot: Seine Familie und der Rest des Stammes wurden ermordet, das Dorf verwüstet. Und zu allem Überfluss wurde auch noch das Heiligtum gestohlen. Außer sich vor Wut sinnt Kelab auf Rache, schwört die Schuldigen aufzuspüren und für ihre Untaten zu bestrafen. Doch kann er es allein mit den Angreifern aufnehmen und dabei der unbarmherzigen Natur trotzen?
Und schon wieder ein Film, der auf einer wahren Geschichte basiert. Gewissermaßen. Eigentlich muss man bei Der Mann aus dem Eis bei beidem Abstriche machen, bei „wahr“ und auch bei „Geschichte“. Es ist aber auch ein schwieriges Unterfangen. So spektakulär der Fund 1991 von der gut konservierten Leiche auch war, die immerhin mehr als 5.000 Jahre im Schnee der Ötztaler Alpen verborgen blieb, so wenig ließ sich über den Mann und sein Leben sagen. Immerhin war klar, dass er Letzteres durch eine Pfeilverletzung verlor. Aber durch wen und weshalb, darüber lässt sich nur spekulieren.
Die fiktive Geschichte eines Sensationsfunds
Felix Randau hat genau das getan. Aus der spärlichen Informationslage bastelte der deutsche Regisseur und Drehbuchautor eine große Tragödie, die an vielen Stellen geradezu existenziell zu werden anstrebt. Der Alltag spielt hier nur selten eine Rolle, nicht weniger als der Kampf um Leben und Tod steht hier auf dem Programm. Das ist in seiner Detailverliebtheit durchaus beachtlich. Nicht nur, dass Der Mann aus dem Eis viele schön naturbelassene Fleckchen in den Bergen fand und die Schauspieler in derart dicke Steinzeitkleidung verpackte, dass man die Menschen kaum noch sieht. Schön ist vor allem, dass man sich bei der Sprache so viel Mühe gab und unsere Vorfahren in einer Frühform des Rätischen grunzen lässt. Das hat teilweise durchaus dokumentarischen Charakter.
Und auch bei den Actionszenen setzte Randau auf Authentizität. Wo sie in Hollywood mittlerweile das Kämpfen verlernt haben, die Mensch-zu-Mensch-Auseinandersetzung sich auf schnelle Schnitte, Zeitlupen und/oder Computersequenzen beschränkt, da ist der Tod hier noch tatsächlich handgemacht. Und grausam. Eine Freigabe ab 12 Jahren, das ist angesichts der gezeigten Brutalität schon ein starkes Stück. Geschont wird niemand: Wenn in der Jungsteinzeit jemand sterben musste, gab es keine Zeit für Pietät oder Schick. Das Ergebnis zählte, dafür nimmt man ein bisschen Hässlichkeit auch in Kauf.
Dein Held, das unbekannte Wesen
Doch obwohl das alles irgendwie beeindruckend aussieht, Jürgen Vogel (Gnade, Stereo) als entfesselter Berserker eine gute Figur macht, Der Mann aus dem Eis lässt einen auf eine nicht beabsichtigte Weise kalt. Dazu mag die rudimentäre Sprache beigetragen haben, die keinen Charakter hinter den Figuren hervorbringt. Die fehlenden menschlichen Interkationen – vom gegenseitigen Meucheln einmal abgesehen. Und vor allem eben auch die Geschichte. Wenn Kelab auszieht, seine Feinde das Fürchten zu lehren, dann ist das im Grunde nicht mehr als ein gewöhnlicher Wald-und-Wiesen-Rachethriller. Das Setting ist ungewöhnlich und auch reizvoll, reicht aber doch nicht aus, um den abgegrasten Pfaden noch etwas abgewinnen zu können.
Und so landet der Film in einem wenig beglückenden Zwischenstadion. Für einen dokumentarischen Ausflug in die Vergangenheit wurde zu viel hinzugedichtet und unnötig dramatisiert, für einen echten Spielfilm ist der Inhalt hingegen zu dünn. Wer in der Hinsicht mit dem thematisch ähnlich gelagerten, ebenfalls eher sparsamen The Revenant – Der Rückkehrer schon seine Probleme hatte, braucht es hiermit gar nicht erst zu versuchen, trotz der angenehm kurzen Laufzeit. Ein interessantes Seherlebnis ist das Ergebnis schon, eine Szene in einem Gletscher wird trotz des massiven Eises so manche Schweißperle auf die Stirn der Zuschauer zaubern. Über weite Strecken gibt es aber nur wenig Anlass, sich in irgendeiner Form tatsächlich einzubringen, Der Mann aus dem Eis ist letzten Endes eine eher langweilige Angelegenheit. Viel Schneegestöber um nichts.
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