(OT: „Djam“, Regie: Tony Gatlif, Frankreich/Türkei/Griechenland, 2017)
Der Auftrag, den die junge Griechin Djam (Daphné Patakia) von ihrem Onkel Kakourgos (Simon Abkarian) erhält, ist eigentlich ganz einfach. Sie soll nach Istanbul reisen, um dort ein seltenes Motorenteil für sein altes Boot zu besorgen. Das Geld hat sie, sie weiß, wer dieses Teil für sie bauen kann, auch das Hotel steht schon fest. Doch unterwegs kommt alles anders, als sie denkt. Vor allem die Begegnung mit der jungen Französin Avril (Maryne Cayon) führt zu einer ganzen Reihe von Planänderungen, als die beiden beschließen, gemeinsam durchs Land zu reisen.
Vor lauter internationalem Stress ist das Schicksal der dauergeplagten Griechen ziemlich aus dem Fokus der Medien verschwunden. Glücklicherweise kommen aber dann und wann noch Filme heraus, die uns daran erinnern: Stimmt, da war ja was. In Djam ist es die Familie der jungen Titelheldin, die ganz schön unter der prekären wirtschaftlichen Lage zu leiden hat. Die Kneipe der Tante steht kontinuierlich vor dem Aus, weshalb Kakourgos es auch nicht wagt, die Stadt zu verlassen. Jemand muss sie ja vor den Aasgeiern der Bank beschützen. Und auch ihm selbst ging es früher schon einmal besser, das Boot ist seine letzte Chance auf ein menschenwürdiges Leben – so scheint es zumindest.
Stürmische Protagonistinnen auf großer Tour
Wenn dann auch noch die Flüchtlingsproblematik leise anklingt – Avril ist aus humanitären Gründen unterwegs –, dann stehen die Zeichen auf Sturm. Stürmisch ist Djam dann auch, allerdings anders, als man angesichts der Themen vielleicht erwarten könnte. Vielmehr ist es die junge Griechin, die sich schnell als echter Wirbelwind entpuppt. Schon die anfänglichen Dialoge mit ihrem Onkel zeigen, dass sie nicht den geringsten Anlass dafür sieht, sich anderen Menschen zu unterwerfen. Sie ist sie, sie macht, was sie will, der Rest wird sich schon ergeben.
Dass er das natürlich nicht tut, gibt Djam eine fast schon komische Note. Immer wieder geraten die beiden Jugendlichen mit ihrem Umfeld aneinander, oft aus Naivität und Weltfremdheit heraus. Aber auch das Duo selbst ist Streitigkeiten nicht unbedingt abgeneigt. In regelmäßigen Abständen werden sie sich anbrüllen, anschnauzen oder zumindest anschmollen. Das kann etwas anstrengend sein, wird aber doch immer wieder durch entgegengesetzte Szenen ausbalanciert. Szenen, in denen sie herumalbern, man meinen könnte, die ganze Welt wäre zu ihrer Bühne geworden.
Musik im Blut
Dieser Eindruck wird auch durch die ausgiebigen Musiknummern verstärkt. Zuweilen drängt sich die Vermutung auf, dass Regisseur und Drehbuchautor Tony Gatlif die Geschichte selbst eigentlich egal war. Finanzkrise, Flüchtlingsproblematik, auch die familiäre Tragödie von Djam, sie sind nur Anlass, dass hier zum Instrument gegriffen und gesungen werden darf. In immer neuen mitreißenden Darbietungen wird von Freud und Leid gesungen, von großen Leidenschaften und der Liebe.
Und so ist das ziellos herumirrende, auch sprachlich ständig sich verändernde Drama (französisch, griechisch, türkisch) auch weniger für die Leute geeignet oder auch gedacht, die Filme vor allem des Inhalts wegen anschauen. Stattdessen ist Djam eine Liebeserklärung an das Leben selbst, der gut gelaunte und charismatisch-wild gespielte Aufruf, sich von niemandem unterkriegen zu lassen. Sollen sich doch gierige Banker Kneipen unter den Nagel reißen – auf dem Boot herumschippern, mit Freunden und Familie, dazu Musik und Wein, mehr braucht es eigentlich gar nicht, um frei und glücklich zu sein.
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