(OT: „Happiness“, Regie: Sabu, Japan, 2016)
Er sieht nicht nur ziemlich seltsam aus, er hat auch ganz ungewöhnliche Folgen: Der Helm von Kanzaki (Masatoshi Nagase) weckt in den Menschen glückliche Erinnerungen, die sie selbst längst vergessen haben. Die Bewohner der japanischen Kleinstadt sind begeistert, schnell macht die Neuigkeit von dem eigenwilligen Kopfschmuck die Runde. Denn jeder will diese sensationelle Erfindung am eigenen Leib einmal ausprobieren. Der Helm hat jedoch noch eine zweite Fähigkeit. Und auch Kanzaki hat etwas ganz anderes im Kopf, wie sich bald herausstellt.
Anhänger des japanischen Ausnahmeregisseurs Sabu haben es dieses Jahr richtig gut: Nur wenige Wochen nach Mr. Long kommt mit Happiness nun schon der zweite Film von ihm in die deutschen Kinos. Und wie schon beim letzten Mal, so stellt auch dieses Werk einiges in Frage, was wir bislang von Filmgenres zu wissen glaubten. Ganz vergleichbar sind die beiden Streifen dennoch nicht, was sich auch an der sehr unterschiedlichen Festival-Auswertung bemerkbar macht. Wo die Geschichte um den taiwanesischen Auftragskiller von Festival zu Festival durchgereicht wurde, da blieb Happiness eher im Verborgenen – Auftritte bei Nippon Connection waren da die Ausnahme.
Kontrastreiches Spiel in den Schatten
Das passt allerdings auch zu einem Film, bei dem sich sehr viel im Verborgenen abspielt. Da wäre zum einen natürlich die Erinnerungen, die im Alltag verschüttgegangen sind und hier wieder ausgebuddelt werden. Es betrifft aber auch Kanzaki, in dem etwas anderes vor sich geht, als man vielleicht meinen sollte. Wobei es dafür zuvor durchaus erste Anzeichen gab. Für einen Mann, der so viel Glück in das Leben der anderen bringt, sieht er selbst nicht wirklich glücklich aus. Ein trauriger Clown, wenn man so möchte. Nur dass dieser hier keine rote Nase und riesige Schuhe im Köfferchen hat, sondern einen grotesken Helm, der entfernt an ein Stachelschwein erinnert.
Zumindest anfangs möchte man dann auch wegen dieses bizarren Hinguckers meinen, dass Happiness eine Komödie sein könnte. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Bewohner, denen Kanzaki hilft. Die sehen nicht minder miesepetrig aus, in der Kleinstadt scheint schon lange niemand mehr die geringste Form von Freude zu verspüren. Wenn sie dann aus dieser Lethargie gerissen werden – Wunderhelm sei Dank –, dann geschieht das auf eine so überzogene Art und Weise, als wären wir hier in einem alten Slapstick-Stummfilm gelandet.
Auf der Suche nach Gefühlen
Und auch sonst bleibt Happiness seltsam unnahbar. Für einen Film, der viel von Emotionen reden wird, ist er selbst ziemlich emotionslos geblieben – von den gelegentlichen Ausbrüchen abgesehen spielt sich alles im Inneren ab. Das gilt gleichermaßen für Kanzaki, der von Nagase (Radiance, Kirschblüten und rote Bohnen) zwar auf den Punkt gespielt wird, aber immer ein Fremder bleibt. Wo Mr. Long noch ein echter Crowdpleaser war, in dem man sogar Auftragskiller mochte, weiß man hier nie so recht, was mit dem Protagonisten anzufangen ist. Wer er eigentlich ist.
All das macht Happiness zu einem zweifelsfrei schwierigen, aber doch auch lohnenswerten Film. Sabu ist und bleibt, selbst wenn er vom Glück spricht, kein Regisseur, der es einem als Zuschauer einfach macht. Während er einen in der ersten Hälfte ziemlich ruhig, fast schon meditativ darüber nachgrübeln lässt, was Glück eigentlich bedeutet, dreht er zum Ende hin die Daumenschrauben an. Die zuvor nur angedeuteten finsteren Elemente drohen dann, alles Licht zu verschlucken, jede Hoffnung, jede schöne Erinnerung auch. Kleinere Stimmungsschwanken waren wir schon zuvor bei dem Japaner gewohnt. Hier erinnert er daran, dass vieles eben doch nicht so leicht ist, wie wir es gerne hätten. Glück auf Bestellung, auf Knopfdruck gibt es nicht, nicht einmal mit einem Wunderhelm. Das müssen wir schon selbst finden, dafür kämpfen, manchmal auch mit uns selbst und den Monstern, die wir mit uns tragen.
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