Oliver and Co
© Disney

Oliver & Co.

(OT: „Oliver & Company“, Regie: George Scribner, USA, 1988)

Oliver and CoIrgendwie hat es einfach nicht sein sollen. Während alle anderen jungen Katzen einen neuen Besitzer gefunden haben, bleibt Oliver als einziger zurück. Also heißt es für ihn, sich allein durch New York durchschlagen zu müssen. Aber auch das will nicht klappen. Sein erster Versuch, einen leckeren Hot Dog zu bekommen, schlägt fehl, beim zweiten mit dem Straßenhund Dodger geht er leer aus. Immerhin schafft er es aber, in dessen Gang aufgenommen zu werden. Doch das eigentliche Abenteuer erwartet den kleinen Kater, als er über Umwege bei dem Mädchen Jenny landet, das ihn doch noch adoptieren will.

Ein bedeutender Tiefpunkt
Oliver & Co. ist ein Titel im umfangreichen Gesamtwerk von Disney, der sehr zwiespältige Gefühle als Animationsfan auslöst. Auf der einen Seite markiert der Film den Tiefpunkt der ohnehin nicht sehr ruhmreichen 1980er Jahre, als das Unternehmen drauf und dran war, die Kinozeichentricksparte aufzulösen, und nicht so recht wusste, welchen Weg es einschlagen soll. Auf der anderen Seite war der Film am Ende so erfolgreich, dass die Sparte nicht nur beibehalten, sondern erweitert wurde. Fortan sollte jedes Jahr ein neues Werk in die Lichtspielhäuser kommen. Vielleicht hätte es die Disney-Renaissance, die ein Jahr drauf mit Arielle, die Meerjungfrau begann, in der Form sonst nicht gegeben. Und dafür muss man dem Film dankbar sein, auch wenn er selbst künstlerisch das andere Ende des Qualitätsspektrums einnimmt.

Schon die Idee hinter dem Film ist so bescheuert, dass sie die Frage aufwirft: Wie konnte die tatsächlich genehmigt werden? „Oliver Twist“ von Charles Dickens zu nehmen und dort nahezu alle Protagonisten durch Tiere ersetzen, darauf muss man erst einmal kommen. Nun sind tierische Figuren bei Disney ja eher die Regel als die Ausnahme. Und dass die Mäuseglücksritter nicht davon zurückschrecken, düstere Klassiker als Kinderversion wiederzubeleben, das zeigten sie einige Jahre später auch in Der Glöckner von Notre Dame. Während Letzterer aber durchaus unterhaltsam ist, gibt es kaum einen Film im Disney-Repertoire, der langweiliger ist als Oliver & Co. Und banaler.

Ohne rechten Witz und Charme
Den Figuren geht beispielsweise der Charme früherer Tierhelden ab, beispielsweise denen aus Aristocats, wo ebenfalls Stadttiere und ein Verbrecher aufeinandertreffen. Dabei hatte sich Disney nicht lumpen lassen. Wo früher meist eher unbekannte Sprecher den Zeichentrickcharakteren Leben einhauchten, stehen diesmal so illustre Namen wie Billy Joel, Bette Midler oder Dom DeLuise auf dem Besetzungsplan. Aber auch den versierten Unterhaltungskünstlern gelingt es nicht, den Tieren Witz zu entlocken. So wie der Humor insgesamt eine ziemliche Enttäuschung ist. Die Anhäufung von Slapstickmomenten erinnert an den späten Nachkommen Pets, zieht im direkten Vergleich aber den Kürzeren. Dafür gibt es Kitsch und ein paar uninspirierte Poprock-Nummern. Und eine Geschichte, die sich nicht um einen roten Faden schert.

Visuell ist Oliver & Co. schon deutlich besser. Die Tiere selbst sind typischer Disney-Standard, der weder positiv noch negativ aus den Massen an vergleichbaren Figuren hervorsticht. Die dicken Schwarzumrandungen geben ihnen jedoch leichte Comic-Anleihen, so wie auch die Städte etwas stilisiert sind. Auffällig sind die vielen Reklameschilder, welche – so heißt es – New York authentischer machen sollten. Die Stadt ist dann auch einer der optischen Höhepunkte, es macht tatsächlich Spaß, zusammen mit der Gang die Gegend unsicher zu machen. Aber auch hier ist der Film im Vergleich zur Paris-Inszenierung von Aristocats nur zweite Wahl. Und das gilt dann für so ziemlich jeden Aspekt hier: Das gab es bei Disney alles schon mal besser. Als No-Name-Fernsehfilm wäre die Geschichte um das Waisenkätzchen vertretbar gewesen. Als Teil einer Reihe, die viele Meisterwerke hervorgebracht hat, ist das Gebotene aber zu wenig.



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Kommerziell war „Oliver & Co.“ ein Erfolg für Disney, künstlerisch nicht. Die tierische Version von Oliver Twist punktet weder bei den Figuren noch der Geschichte, selbst die Musik ist langweilig. Allenfalls die Optik mit leichtem Comic-Touch könnte dazu veranlassen, sich den Zeichentrickfilm anzuschauen. Aber auch da war die hausinterne Konkurrenz zu stark.
4
von 10