(OT: Stigmata, Regie: Rupert Wainwright, USA, 1999)
Pater Andrew Kiernan (Gabriel Byrne) soll im Auftrag von Kardinal Daniel Houseman (Jonathan Pryce) ein mögliches Wunder in Brasilien untersuchen, eine blutweinende Marienstatue. Dort angekommen wohnt er der Beerdigung des örtlichen Paters Alameida (Jack Donner) bei. Ein Gassenjunge klaut dem Toten sein Kreuz und verkauft es später an eine Touristin – die Friseuse Frankie Paige (Patricia Arquette). Zuhause angekommen dauert es nicht lange, bis sie wie aus dem Nichts blutende Wunden zugefügt bekommt – und zwar bei mehr als nur einer Gelegenheit. Als wäre das nicht schon schlimm genug, fängt sie auch bald an, aramäisch zu sprechen und geheime Botschaften an Wände zu schreiben. Wiederum wird Kiernan auf den Fall angesetzt und sieht sich letzten Endes damit konfrontiert, seinen Glauben hinterfragen zu müssen.
Regisseur Rupert Wainwright hat schon ein hartes Los gezogen. Die paar Spielfilme, die er gedreht hat, wurden überwiegend verrissen und bekamen abgesehen von Stigmata und dem Remake The Fog – Nebel des Grauens (die beide aber auch eher ein Nischendasein führen) eher wenig Aufmerksamkeit. Seine vermutlich bekannteste Regiearbeit dürfte hingegen kaum jemand mit ihm in Verbindung bringen: Das 1990 erschienene Musikvideo zum Song U Can’t Touch This von MC Hammer konnte seit dem Upload 2009 nahezu stattliche 366 Millionen Klicks auf YouTube generieren. Auch das Musikvideo zu N.W.A. – Straight Outta Compton geht auf seine Kappe, welches im direkten Vergleich zwar „nur“ 64 Millionen Klicks im ungefähr gleichen Zeitraum akquirieren konnte, in der Szene aber eine größere Anhängerschaft haben dürfte.
Szenen wie aus einem Musikvideo
Diese Erfahrung nun aber kommt Wainwright bei Stigmata sehr zugute. Einige Schlüsselszenen weisen schnelle Schnitte, visuelle Effekte und laute Töne auf, wie man sie prinzipiell aus Musikvideos kennen könnte. Die Umsetzung aber lässt diese Szenen nicht zu Videoclips verkommen, sondern trägt zur Erhaltung des kinohaften Charakters des restlichen Films bei.
Während Stigmata sich nicht scheut, einige Szenen in grafischen Details zu zeigen, nicht mit Blut geizt sowie insbesondere anfangs mit dem ein oder anderen Jumpscare aufwartet und generell als Horrorfilm vermarktet wird, ist diese Genreklassifizierung meiner Ansicht nach nicht haltbar oder zumindest nicht vollständig. Nein, viel eher liegt hier ein Mystery-Thriller vor, in dem ein zum Priester gewordener Wissenschaftler mit einem Phänomen konfrontiert wird, das rational nicht ohne Einbeziehung von Gottes Existenz erklärt werden kann, und dabei eine Verschwörung der katholischen Kirche aufdeckt.
Zwischen Wissenschaft und Glauben
Der Charakter des Priesters wird von Bryce brillant verkörpert und profitiert davon, dass sich ein Film in seiner eigenen Realität bewegen kann, statt mit der echten Welt konform gehen zu müssen. So ist sein Grund für den Wechsel von der wissenschaftlichen auf die religiöse Seite beispielsweise, dass die Welt sechs Milliarden Jahre alt sei, sich das Leben aber erst vor drei Milliarden Jahren entwickelt hätte – und zwar sämtliches Leben auf einmal. Das sei nicht nur dann glaubwürdig, wenn es Gott gibt. Vielleicht soll das ja aber auch ein Kommentar auf der Metaebene sein, ein Seitenhieb gegen beispielsweise Kreationisten, die sich ihr Weltbild mit kruder Faktenverdrehung und Fehlschlüssen zurechtbasteln. So ist die Erde nicht sechs, sondern etwas mehr als viereinhalb Milliarden Jahre alt (wobei Kreationisten von etwa 6000 Jahren ausgehen) und das Leben auf ihr hat sich auch nicht von jetzt auf gleich entwickelt, sondern in einem Zeitraum von mehreren zehnmillionen Jahren. Die Dichotomie zwischen Wissenschaft und Religion lässt sich aber nicht nur im Film überwinden, so war Albert Einstein bis zu seinem Tod von der Existenz Gottes überzeugt. Der ihm zugeschriebene, jedoch von Werner Heisenberg paraphrasierte Ausspruch „Gott würfelt nicht“ ist bis heute ein geflügeltes Wort.
Stigmata wurde nun nach achtzehn Jahren von capelight pictures als Mediabook herausgegeben. Die Blu-ray und die DVD werden von einem 22-seitigen Heftlein begleitet, in dem Filmkritiker Christoph N. Kellerbach allerhand Hintergrundinfos über die Entstehungsgeschichte und den Film generell zusammengetragen hat. Ein marginaler Wermutstropfen sind mindestens zwei Druckfehler, doch der interessante Inhalt zieht die Aufmerksamkeit auf sich und hilft dabei, etwaige weitere zu überlesen. Wem der Film gefällt, der findet im Mediabook auf jeden Fall eine Bereicherung für die heimische Filmecke.
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