(OT: „The Good Neighbor“, Regie: Kasra Farahani, USA, 2017)
Es ist ein einfaches, harmloses Experiment, so sagt Ethan (Logan Miller) zumindest. Gemeinsam mit seinem besten Freund Sean (Keir Gilchrist) installiert er Kameras und andere elektronische Vorrichtungen im Haus ihres Nachbarn Harold Grainey (James Caan). Das Ziel: den Eindruck erwecken, als würde es in dem Haus spuken. Damit wollen sie dem dem mürrischen alten Mann nicht nur einen richtigen Schrecken einzujagen, sondern auch seine Reaktionen auf Kamera festhalten. Die fallen jedoch etwas anders aus als gedacht. Vor allem der verschlossene Keller, in dem Grainey immer wieder für längere Zeit verschwindet, kommt ihnen sehr verdächtig vor. Da muss doch irgendetwas Finsteres vor sich gehen.
Ach ja, der gute Nachbar. Wenn im Titel von diesem hier die Rede ist, dann ist das natürlich nicht ganz wörtlich gemeint. Grainey ist ein furchtbarer alter Mann, der seine Frau schlägt und Tiere vergiftet. Das ist die Beschreibung von Ethan und gleichzeitige Rechtfertigung, warum er ausgerechnet diesen Nachbarn für sein kleines Experiment ausgewählt hat. Und man könnte diese Unterstellungen auch tatsächlich glauben, so missmutig wie der immer dreinschaut. So barsch er die ältere Dame abweist, die eines Tages vor seiner Tür steht. Einem solchen Unsympathen einen kleinen Streich zu spielen, das wird ja wohl nicht so schlimm sein.
Gut ist relativ
Wenn Regisseur Kasra Farahani in seinem Langfilmdebüt ein bisschen auf Hitchcocks Spuren wandelt, dann ist die Sachlage aber doch nicht ganz so eindeutig. Zwei Punkte sind es vor allem, die The Good Neighbor Spannung verleihen. Das eine betrifft die Frage, was sich denn nun wirklich in dem Keller des alten Herrn abspielt. Interpretieren die zwei Jugendlichen zu viel in ihre Beobachtungen? Oder haust da wirklich ein Monster auf der anderen Straßenseite?
Der zweite Punkt betrifft die Jugendlichen selbst. Das bisschen Türenrattern zu Beginn ist sicher gemein, aber nicht viel mehr als ein normaler Jungenstreich. Aber wie das in solchen Geschichten nun mal so ist: Dabei bleibt es nicht. Wie in Horrorfilmen, in denen die Phänomene von Mal zu Mal heftiger werden, so setzen auch Sean und Ethan ihrem Treiben ständig eins drauf. Die Show muss schließlich weitergehen. Vor allem muss sie sich ständig steigern, um relevant zu bleiben. Die Mittel werden gemeiner, als Publikum beginnt das ungemütliche Grübeln, wie weit die zwei noch gehen werden. Ob sie irgendwann an eine Grenze stoßen.
Clevere Idee holprig umgesetzt
Das ist von der Idee her recht clever. Nicht nur, dass die üblichen Horrormechanismen umgedreht werden und wir hinter der Kamera den Spuk beobachten. Die Ambivalenz der Geschichte trägt ebenfalls dazu bei, dass sich The Good Neighbor wohltuend aus der Masse hervorhebt. James Caan als undurchsichtiger, finsterer Zeitgenosse ist nicht nicht ganz unschuldig. Man nimmt ihm ab, dass er à la Don’t Breathe weit mehr ist als ein harmloser alter Mann. Also alles gut? Nicht wirklich. Denn auch wenn die Grundsituation und die Besetzung stimmen, so hapert es doch an anderen Stellen. So stark sogar, dass der vielversprechende Auftakt am Ende einer leisen Enttäuschung Platz macht.
Problematisch ist vor allem die Entscheidung, die Geschichte nicht-chronologisch erzählen zu wollen. So etwas kann interessant sein, wenn sich erst durch das Zusammenspiel mehrerer Zeitebenen ein Bild ergibt. Hier fügt sie dem Geschehen aber nichts hinzu. Im Gegenteil: Der Film steht sich hier selbst im Weg. Indem das Ende teilweise schon vorweggenommen wird, ahnen wir viel zu schnell, worauf alles hinauslaufen soll. Ebenso schwächen die Flashbacks die Wirkung von Grainey früh ab, ohne dass es irgendwie nötig gewesen wäre. Eine Begründung für den Griff in die Storystelling-Broschüre oder auch die Found-Footage-Anleihen, die liefert der Film nicht. Stattdessen schleicht sich der Eindruck ein, dass auf diese Weise The Good Neighbor einfach in die Länge gezogen werden bzw. komplexer erscheinen sollte. Das allein ist aber zu wenig. Erschwerend kommen gelegentliche Zufälligkeiten hinzu, um inhaltliche Abkürzungen zu nehmen. Die sind als Drehbuchautor natürlich praktisch, für das Publikum jedoch eher ärgerlich: Bei einem Film, der doch immer mal wieder Längen aufweist, wäre genügend Raum für eine sorgfältiger erstellte Geschichte gewesen.
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