Alles unter Kontrolle
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Alles unter Kontrolle!

(OT: „Débarquement immédiat“, Regie: Philippe de Chauveron, Frankreich, 2016)

Alles unter Kontrolle DVDEndlich scheint José Fernandez (Ary Abittan) am Ziel angekommen zu sein! Lange hat er daraufhin gearbeitet, eine Stelle bei der Kriminalpolizei zu bekommen. Nun soll dieser Traum wahr werden. Privat läuft es jedoch weniger gut. Seine chronisch eifersüchtige Freundin Maria (Reem Kherici) hat ihn gerade vor die Tür gesetzt. Und dann geht auch noch sein letzter Auftrag als Grenzpolizist in die Hose. Als er und sein Kollege Guy (Cyril Lecomte) mit dem straffälligen Karzaoui (Medi Sadoun) nach Kabul reisen, müssen sie einen ungeplanten Zwischenstopp auf Malta einlegen. Karzaoui, der Opfer eines Justizirrtums wurde, hat aber gar nicht vor, sich brav abschieben zu lassen. Stattdessen nutzt er jede Gelegenheit, um auszubüxen – zum Leidwesen der beiden überforderten Polizisten.

Und schon wieder ein Film, der meint, etwas zur Flüchtlingsproblematik beitragen zu müssen. Nicht dass dies grundlegend verkehrt wäre, relevant ist das Thema ja auch. Nur sollte man dann tatsächlich etwas zu sagen haben, wenn man schon in dem überfüllten Becken mitschwimmen möchte. Bei Alles unter Kontrolle! ist das jedoch kaum der Fall. Dabei waren die Vorzeichen eigentlich gut. Als einer der wenigen Themenbeiträge nimmt sich die französische Komödie der Abschiebung an, während Kollegen wie Willkommen bei den Hartmanns oder Welcome to Norway in erster Linie von ankommenden Flüchtlingen erzählen. Und wenn dann noch Philippe de Chauveron für den Film verantwortlich ist, der zuvor auf höchst amüsante Weise in Monsieur Claude und seine Töchter Vorurteile verulkte, dann ist die Vorfreude auf eine satirische Auseinandersetzung groß.

Humor um jeden Preis
Bedauerlicherweise hatte der Regisseur und Drehbuchautor aber ganz andere Pläne. Obwohl gleich zwei der damaligen Schwiegersöhne – Abittan und Sadoun – wieder mitspielen, sind die beiden Komödien kaum miteinander zu vergleichen. Richtig anspruchsvoll war natürlich auch Monsieur Claude und seine Töchter schon nicht gewesen. Die satirischen Angriffe auf den kleinen Alltagsrassismus waren grob geschnitzt, die Figuren ebenfalls. Immerhin wusste de Chauveron damals aber noch, etwas mit dem Material anzufangen. Von Satire ist hier keine Spur mehr, dafür gibt sehr viel Klamauk. Ein Klamauk, der vieles sein mag, komisch eher nicht. Missgeschicke, verschüttete Körperflüssigkeiten, (wortwörtlicher) Haudraufhumor, homophobe Einlagen, nackte Haut – der Film ist sich für nichts zu schade. Er will so sehr unterhalten, dass ihm jedes Mittel recht ist. Das Ergebnis: Ein Großteil der Gags verfehlt sein Ziel.

Bei den Figuren sieht es nicht besser aus. Guy sowie ein Pilot, dem das Bruchlandungsteam folgt, sind allein aus dem Zweck auf dieser Welt, um weiblichen Rundungen hinterherzuschauen und auf die peinlichst denkbare Weise angraben zu wollen. Karzaoui ist ein klein wenig menschlicher gestaltet, findet seinen Lebensinhalt aber darin, ständig irgendwelche eigenartigen Grimassen zu ziehen. Und auch Maria fällt in erster Linie dadurch auf, dass sie als Göttin der Hysterie auftritt. Noch bevor wir an Stellen ankommen, die tatsächlich zum Lachen sind, sind die eigenen Nerven bereits derart aufgebraucht, dass es schon keine echte Rolle mehr spielt. Lediglich José darf ein bisschen dagegenhalten, als Kontrastpunkt zu den überzeichneten Karikaturen als echter Langweiler auftreten. Auch ein Alleinstellungsmerkmal.

Ich will mehr!
Wenn Alles unter Kontrolle! zum Ende hin natürlich doch wieder mehr sein will als eine Komödie und ernstere Töne anschlägt, dann ist das ebenso vergeblich wie deplatziert. So wenig wie man die uninspiriert grölende Geschichte abkauft, so wenig überzeugen die nachdenklich-besinnlichen Momente zum Schluss. Dafür sind auch sie zu sehr übers Knie gebrochen. Und doch findet der Film auf den letzten Metern die ersten wirklich interessanten Szenen, von einigen vorangegangenen hübschen Aufnahmen in Malta mal abgesehen. Wenn die Komödie keine Komödie mehr sein will, sondern relativ unverblümt zeigt, was es heißt, ein Flüchtling zu sein, dann spürt man, wie viel es doch noch zu dem Thema zu sagen gäbe. Nur dass Philippe de Chauveron offensichtlich der falsche Mann für diese Aufgabe ist.



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Eine Komödie über einen Mann, der abgeschoben werden soll, das hat eigentlich ziemlich viel Potenzial. „Alles unter Kontrolle!“ weiß damit aber nichts anzufangen. Der Film foltert abwechselnd mit nervigen Figuren und einem selten komischen Klamauk, der sich für nichts zu schade ist. Erst zum Ende hin zeigt die französische Produktion, dass da doch mehr drin gewesen wäre.
4
von 10