(OT: Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner, Regie: Pepe Danquart, Deutschland, 2017)
Kaum fährt man mit seinem Auto vorwärts statt rückwärts und in ein Fahrrad rein, schon findet man den Mann fürs Leben. So zumindest ergeht es Kati (Jessica Schwarz), die nach der Entlassung aus dem Krankenhaus auf dem Parkplatz den Arzt Felix (Felix Klare) auf die genannte Weise kennenlernt. Die Liebe auf den ersten Blick führt übers Bett direkt in die Ehe. Nach fünf Jahren aber ist die Luft raus und der triste Alltag hat sich breitgemacht. Felix ist gefühlt nur noch in der Klinik und die beiden leben sich immer mehr auseinander. Als Kati den Künstler Mathias (Christoph Letkowski) kennenlernt und es wiederum auf Anhieb funkt, erwägt sie ernsthaft eine Affäre mit ihm. Kurze Zeit später kracht ein LKW in Katis Auto und sie wacht im Krankenhaus auf – allerdings nicht im Jahr 2016, sondern nach ihrer Blinddarm-OP im Jahr 2011, die jene schicksalshafte Begegnung mit Felix nach sich zog. Diese Chancen nutzend, verhindert sie, dass es zu dem Treffen kommt, und macht sich auf die Suche nach Mathias.
Dass es sich in Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner nicht um einen sich immer wieder wiederholenden Tag handelt, sondern um einen einmaligen Zeitsprung um fünf Jahre zurück, kann natürlich niemanden darüber hinwegtäuschen, dass man es hierbei erneut mit einer Variation von Und täglich grüßt das Murmeltier zu tun hat. Mittlerweile kann beinahe von einem eigenen Subgenre gesprochen werden, angesichts der vermehrt auftauchenden Filmen, welche sich dieser Thematik widmen (zum Beispiel Happy Deathday, Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie oder der Netflix-Film Naked). Was die Macher oder zumindest die Marketingabteilung als besonders herausstellt, ist dass die Verfilmung von Kerstin Giers (Rubinrot) Roman nun eine romantische Komödie mit einer Zeitreise verbinden würde – anscheinend nicht ahnend oder zumindest ignorierend, dass dieser Genremix exakt Und täglich grüßt das Murmeltier beschreibt.
Spiel mit den Erwartungen
Nach Immanuel Kant ist Komik die Auflösung der Erwartungshaltung ins Nichts. Der arme Mann konnte ja nicht wissen, dass seine These über 200 Jahre nach seinem Tod mit aller Gewalt in einem Film widerlegt werden würde. So muss Kati beispielsweise überraschend anstelle ihrer Chefin (Juliane Köhler) ein Seminar halten (diese Szene ist auch als einer der Aufhänger im Trailer platziert), nachdem sowieso schon einiges für sie schief gegangen ist, und da erwartet der mehr oder weniger geneigte Zuschauer nun, dass Kati sich entsprechend blamiert. Stattdessen fängt das Seminar an, nur um direkt nach einem amateurhaften Bildübergang zu enden.
In der Szene davor kommt Kati am Gebäude an und vergisst ihren Kaffeebecher auf dem Autodach. Damit man das auch ja mitbekommt, schwenkt die Kamera überdeutlich von der Halbnahen in den Closeup. Die Message ist klar: „Dieser Becher wird später in garantiert unfassbar lustiger Weise herunterfallen.“ Stattdessen – eine Auflösung ins Nichts, im wahrsten Sinne des Wortes. Als Kati nach dem Seminar wieder in ihr Auto steigt, ist der Becher nämlich einfach weg. Beiden Szenen ist gemein, dass die Kamera immer mal wieder ungewohnt lüstern auf den Hintern von Jessica Schwarz starrt, die ihn anscheinend auch nur allzu willig hinhält. Was das soll, warum das an dieser Stelle so ist und warum es sonst nie wieder so ist, lässt sich nicht erschließen.
Pepe, bleib bei deinen Leisten
Regisseur Pepe Danquart hat für seinen Kurzfilm Der Schwarzfahrer seinerzeit den entsprechenden Oscar gewonnen. Nach Sichtung von Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner drängt sich die Frage auf, ob Danquart seinen Fokus nicht doch lieber wieder auf Kurzfilme lenken sollte. Die über 100 Minuten Laufzeit bieten unnötige Szenen im Überfluss, die teilweise auch noch enervierend in die Länge gezogen sind. Darunter leiden dann die handvoll guter Momente, die es durchaus gibt. Eine der besten Szenen beispielsweise ist jene, als Kati mit ihrer Hand im Briefkastenschlitz steckenbleibt, aus dem sie einen Brief herausholen möchte, dessen Einwurf sie bereut. Was folgt, ist eine Slapstickeinlage inklusive durch die Luft wirbelndem Handy, die mindestens zum Schmunzeln anregt. Klar, so etwas wurde schon tausend Mal gemacht und so etwas wird noch tausend Mal gemacht werden – aber richtig inszeniert und verkörpert wird es auch jedes Mal wieder amüsant sein. Solche Momente haben fraglos ihre Daseinsberechtigung, wenn sie aber zum Besten gehören, was ein Film zu bieten hat, läuft etwas schief.
Fürs Kino werden Filme (nicht) gemacht
Felix Klare vermittelt einen sympathischen Eindruck und macht wohl auch das Beste aus den ihm gegebenen Texten. Generell wirkt der Cast aber wenig motiviert, die bemühten Dialoge glaubwürdig rüberzubringen. So eine schauspielerische Leistung gehört nicht ins Kino genausowenig wie die Bildqualität oder so ein Drehbuch oder die Anfangsanimation, welche die Geschichte von Kati und Felix im Schnelldurchlauf zeigt und aussieht wie ein Video, das jemand auf YouTube hochgeladen hat, um Feedback für seine ersten Gehversuche im entsprechenden Animationsprogramm zu bekommen. Aber deutsche Kinofilme sind nun mal Fernsehfilme, da verwundert es auch nicht weiter, ARD Degeto prominent im Abspann als Ko-Produzenten aufgeführt zu sehen.
Das Ende ist leider abrupt und unplausibel, was aufgrund des ganzen verschenkten Potenzials besonders schade ist. Wie viel mehr hätte aus dem Ende herausgeholt werden können, wenn die im Film durchaus nicht unclever verteilten Hinweise zu einer befriedigenden Konklusion geführt hätten. So aber verweigern die Macher beinahe gezielt, dem Zuschauer eine positive Nachricht mit auf den Weg zu geben, sondern lassen ihn mit der Frage zurück, warum genau Kati sich nach ihrem Neustart für den Mann entschieden hat, für den sie sich letztlich entscheidet.
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