(OT: „Corpse Party: Tortured Souls“, Regie: Akira Iwanaga, Japan, 2013)
Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu, bei einem gemeinsamen Fest wollen die Klassenkameraden noch einen schönen Abend verbringen. Der Plan geht jedoch nicht ganz so auf wie gedacht. Nachdem sie Mayu zuliebe, die bald die Schule wechseln wird, das Freundschaftsritual vollzogen haben, befinden sich die Clique und ihre Lehrerin plötzlich an einem anderen Ort. Einem sehr finsteren Ort. Aber wieso sind sie in dieser heruntergekommenen Grundschule? Wer hat die ganzen Türen und Fenster verschlossen? Und was hat es mit den vielen Leichen auf sich, die in der Schule verteilt sind? Während die Freunde durch das Gebäude schleichen, auf der Suche nach Antworten und Ausgängen, dämmert ihnen, dass an der Legende um eine verfluchte Grundschule doch mehr dran sein könnte, als sie dachten.
Animes und Horror, das ist ja so eine Sache. Quantitativ hat es in dieser Hinsicht schon so einiges gegeben. Was die Qualität jedoch angeht, daran scheiden sich die Geister. Atmosphärische Grusler sind bis heute recht rar gesät. Das gilt besonders für den deutschen Markt, der Genrehighlights wie Boogiepop Phantom oder Ayakashi: Samurai Horror Tales ignorierte. Dafür gab es eine Reihe von Titel, die in erster Linie auf spritzende Blutfontänen oder nacktes Frauenfleisch setzten. Gerne auch in Kombination.
Sex und Gewalt im Dauerrausch
Corpse Party: Tortured Souls erweckt zunächst den Eindruck, ein weiterer Teil dieser nicht so ganz ruhmreichen Ahnengalerie zu werden. Eine der ersten Szenen zeigt, wie ein Junge – ganz versehentlich natürlich – die mal wieder viel zu groß geratenen Brüste seiner Mitschülerin knetet. Panty Shots dürfen auch nicht fehlen, sind von Anfang an dabei, auch wenn sie später etwas seltener werden. Die Sache mit dem Blut zieht sich hingegen komplett durch die Serie. Je brutaler ein Mensch hier sein Ende findet, umso besser, die ganze Schule ist mit Eingeweiden übersät. Das ist so überzogen, dass es manchmal an das unfreiwillig komische Another erinnert. Dennoch: Gore-Freunde bekommen hier einiges aufgetischt. So viel sogar, dass man hinter die FSK 16-Freigabe zumindest ein Fragezeichen setzen darf.
Glücklicherweise hat der Anime aber auch mehr zu bieten als Kinder, die erst ihre Unterhose zeigen und anschließend gevierteilt werden. Eine schön schaurige Atmosphäre zum Beispiel. Ein technisches Meisterwerk hat das noch recht junge Animationsstudio Asread sicher nicht abgeliefert, dafür ist die Schule zu spärlich eingerichtet, auch die Bewegungen sind nicht ganz rund. Aber es gelingt ihm doch ganz gut, Spannung zu erzeugen, während wir durch die dunklen Gänge der Schule tapsen. Ständig passiert da etwas in den Schatten, wird die Perspektive verschoben. Wirklich ausruhen ist nicht, hier heißt es ständig, auf der Hut zu sein.
Bekannte Geschichte mit kleinen Überraschungen
Zumal die Geschichte auch besser ist, als man es in dem Bereich oft gewohnt ist. Die meisten Elemente sind natürlich bekannt: Verstorbene, die nicht zur Ruhe kommen, tragische Schicksale, die es aufzudecken gilt, die Umkehrung von großem Unrecht. Und doch ist Corpse Party: Tortured Souls weniger vorhersehbar als befürchtet. Wer zum Beispiel am Ende der Odyssee mit dem Leben davonkommt, das ist völlig offen – hier genießt niemand Welpenschutz. Die eine oder fest angenommene Wahrheit verwandelt sich beim zweiten Hinschauen in etwas anderes. Denn auch das ist eine Stärke des Animes: Die Geschichte wird etappenweise erzählt. Die Gruppe ist anfangs getrennt, manche Ereignisse ergeben erst dann Sinn, sobald wir zu einem anderen Teil gewechselt sind.
Dennoch bleibt zum Schluss einiges offen oder kaum ausgearbeitet, da braucht es schon Mut zur Lücke. Das liegt an der Natur der Dinge: Corpse Party: Tortured Souls ist eine Adaption der Videospielreihe von Team GrisGris und 5pb. (Steins;Gate). Der adventureartige Aufbau der Geschichte wurde beibehalten, die Handlung besteht darin, die Schule zu erkunden und Hinweise zu finden. Da ein komplettes Spiel aber nicht in vier 30-minütige Episoden passt, musste einiges unterwegs weggelassen werden. Das betrifft den Plot, der des Öfteren eine Abkürzung nimmt. Es betrifft aber auch die Figuren, die irgendwie alle schon tot sind, noch bevor wir wissen, mit wem wir da unterwegs waren. Allgemein hätte es der Serie gut getan, nicht ganz so überhastet durch die Geschichte zu rennen, sich ein bisschen mehr Zeit für Erklärungen zu nehmen. Im Gegensatz zu anderen Videospieladaptionen wie etwa Final Fantasy VII: Advent Children ist diese hier aber zumindest noch als Einzelwerk konsumierbar. Den Bereich des Horroranimes wird Corpse Party: Tortured Souls sicher nicht revolutionieren, im deutschen Segment gehört der Vierteiler aber zu den besseren Vertretern.
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