(OT: „Viceroy’s House“, Regie: Gurinder Chadha, UK, Indien, 2017)
Wir befinden uns in Delhi im Jahre 1947. Der letzte Vizekönig Britisch-Indiens, Lord Mountbatten (Hugh Bonneville), reist zusammen mit seiner Frau Lady Edwina (Gillian Anderson) und seiner 18-jährigen Tochter nach Indien, um das Amt des Vizekönigs anzutreten. Die Familie wohnt in einem prunkvollen Palast mit 500 Angestellten. Mountbatten wurde auserwählt, Indien den Übergang in die Unabhängigkeit zu erleichtern. Politische Verhandlungen und die Unruhen zwischen den gemeinsam in Indien lebenden Hindus, Sikh und Muslimen führen letztendlich zur Teilung Indiens in das muslimische Pakistan und das hinduistische Indien. Eine Entscheidung mit Folgen, die anhand einer Liebesgeschichte zwischen der Muslima Aalia (Huma Qureshi) und dem Hindu Jeet (Manish Dayal), beide im Dienste des britischen Vizekönigs, verdeutlicht wird.
Wer jetzt an indischen Liebes-Kitsch denkt, liegt falsch
14 Millionen Menschen mussten durch die Teilung ihr Zuhause verlassen, 1 Million Menschen kamen bei den Ausschreitungen und der Flucht ums Leben. Sie lebten alle gemeinsam in ihrem geliebten Land, bis man sich durch die verschiedenen Religionen voneinander abgrenzte. Auf einmal ist man sich nicht mehr Freund, sondern Feind. Mittendrin ein Liebespaar, das vor die gleiche Entscheidung gestellt wird, wie alle Inder: Bleibe ich in Indien oder gehe ich nach Pakistan. Sowohl Aalia als auch Jeet sind hin- und hergerissen; ist Liebe stärker als Zugehörigkeit?
An dieser eigentlichen Nebenhandlung wird erst klar, was in den Menschen vorgegangen sein muss. Dass politische Aktionen ihr aller Leben beeinflussen, verändern und sogar zerstören können. Die Liebesgeschichte dient nicht dazu, aus einem historischen Ereignis einen spannenden Film zu machen. Sie kommt sogar mit nur einem Kuss aus – eine aufrichtige Liebe zur falschen Zeit am falschen Ort.
Hugh Bonneville als Lord Mountbatten erinnert an seine Rolle als Earl of Grantham in Downton Abbey. Ein Oberhaupt mit viel Verantwortung, aber auch viel Herz. Insgesamt erinnert viel an die englische Serie aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts, durchaus auf positive Weise. Auf Details aus der damaligen Zeit wurde ebengleich geachtet, die zwei Welten der Ober- und Unterschicht werden behandelt und auch Lady Edwina erinnert mit ihrer offenen und liberalen Art an die Countess of Grantham. Für den ein oder anderen mag das nach Abkupfern aussehen; in die Geschichte von Der Stern von Indien passt es dennoch.
Fiktionale Liebesstory trifft historische Gegebenheiten
Regisseurin Gurinder Chadha verleiht dem Film Authentizität, da ihre Großeltern zu genannter Zeit Flüchtlinge in Indien waren. Gurinder erzählt einen Teil ihrer eigenen Geschichte, sowohl aus der Perspektive der Politiker als auch aus der der einfacheren Leute, denn sie ist zu einem Teil Inderin, zum anderen Britin. Der riesige Palast des Vizekönigs vereint alle diese Perspektiven und die verschiedenen Religionen. Die Filmemacherin zeigt uns dadurch, wie weitreichend die Auswirkungen sind, die solche politischen Entscheidungen haben können. Gerade in heutigen Zeiten der Instabilität in der Weltpolitik und den Weltreligionen öffnet der Film einige Augen und trägt zu einer gewissen Aufklärung bei. Ein Film für alle mit mindestens einem Hauch Interesse an Geschichte, authentisch, emotional und ehrlich.
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