Die dunkelste Stunde
© Universal Pictures

Die dunkelste Stunde

(OT: „Darkest Hour“, Regie: Joe Wright, UK, 2017)

Die dunkelste Stunde
„Die dunkelste Stunde“ läuft ab 18. Januar 2018 im Kino

Die bisherige Politik von Premierminister Neville Chamberlain (Ronald Pickup) ist gescheitert, so viel steht fest: Adolf Hitlers Vormarsch scheint nicht zu stoppen, immer mehr Länder werden im Handstreich erobert. Nur ein geeintes Parlament über alle Parteien hinweg kann Großbritannien und Europa jetzt noch retten. Dummerweise halten sich die Optionen jedoch in Grenzen, als Konsenskandidat kommt eigentlich nur Winston Churchill (Gary Oldman) in Frage – und der ist aufgrund seiner Unnachgiebigkeit und der vielen Marotten wegen sehr umstritten. Tatsächlich dauert es nicht lange, bis sich Churchill mit seinen Kollegen zerstritten hat. Während die noch immer darauf setzen, mit Hitler zu verhandeln, gibt es für den neuen Premierminister nur die Möglichkeit des Kampfes. Doch damit geht er ein großes Risiko ein, sind doch 300.000 britische Soldaten in Dünkirchen eingeschlossen, ohne Aussicht auf Rettung.

So spannend die Geschichte um die große Rettungsaktion von Dünkirchen auch ist, ein bisschen eigenartig ist es schon, dass innerhalb eines halben Jahres gleich drei große britische Produktionen dieses Ereignis thematisieren. Immerhin schaffen es die drei, sich auf eine jeweils eigene Weise dem Thema anzunähern. Während Christopher Nolans Blockbuster Dunkirk aus dem Stoff ein Kriegsepos schnitzt, nutzte Ihre beste Stunde die Vorlage für amüsant-verschmitzte Meta-Film- und Geschlechterkommentare. Die dunkelste Stunde wiederum ist irgendwo zwischen den beiden Kollegen angesiedelt, interessiert sich aber am wenigsten für die konkrete Kriegssituation. Stattdessen ist sie nicht mehr als eine Bühne für Winston Churchill, genauer für Gary Oldman, der hier wohl die Rolle seines Lebens spielt.

Ecken und Kanten zum Spaß haben
Schön ist die Rolle natürlich nicht. Übergewichtig mit schütterem Haar, eine nur gelegentlich zu verstehende Aussprache, eine herablassende Persönlichkeit, viele Eigenarten. Schlechte Eigenarten besonders. Aber genau das macht die Rolle eben auch dankbar: Der legendäre, teilweise umstrittene britische Premierminister war eine Erscheinung mit so vielen Ecken und Kanten, nach denen sich Schauspieler die Finger lecken. Oldman (Batman Begins, Kind 44) nimmt dieses Geschenk auch nur zu gerne an und macht aus der historischen Figur einen schrulligen Kauz, wie ihn sich nur das Leben ausdenken kann. Oder die Engländer.

Damit dessen Eigenschaften besonders gut zur Geltung kommen, setzten Regisseur Joe Wright (Pan, Der Solist) und Drehbuchautor Anthony McCarten (Die Entdeckung der Unendlichkeit) auf größtmöglichen Kontrast. Da wird ihm gleich zu Beginn die hübsche, junge und wehrlose Sekretärin Elizabeth Layton (Lily James) vor die Nase gesetzt, um ihn als unmöglichen und despotischen Menschen zu porträtieren. Sein Parteikonkurrent Lord Halifax (Stephen Dillane) und König George VI. (Ben Mendelsohn) dienen dazu, seine unkonventionelle, politikferne Art zu unterstreichen. Zu guter Letzt darf auch Kristin Scott Thomas als Churchills Frau eine Funktion erfüllen: Bei ihr wird er zum Privatmann, der trotz seiner selbstbewussten Auftritte sich gar nicht so sicher ist, was er da eigentlich tut.

Aus Spaß wird (dick aufgetragener) Ernst
Der Film weiß es dafür umso mehr. Zunächst einmal geht es darum, das Publikum mit Humor einzufangen. Gerade durch die Kontraste oben kommt es immer wieder zu komischen Situationen. So komisch sogar, dass man eine ganze Weile vergisst, dass da ja eigentlich draußen Krieg herrscht. Die dunkelste Stunde mag der Film heißen, ist da aber doch einer Komödie deutlich näher. Dass Churchills Irrtümer und Fehleinschätzungen Tausenden Menschen das Leben gekostet hat, wird zwar erwähnt, aber schnell beiseite gewischt. Anders als bei Star Wars: Episode VIII – Die letzten Jedi, das den Sinn und Zweck solcher Opfer in Frage stellt, gibt es hier keine echte Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der Kriegsführung. Wer nicht mit Churchill ist, der wird hier zu einem Angsthasen degradiert. Er selbst mag ein Sonderling sein, wird aber doch als eindeutiger Held dargestellt.

Aber das ist nun mal auch das Vorrecht des Siegers. Die Rettung von Dünkirchen war spektakulär, einer der wichtigen Meilensteine während des Zweiten Weltkriegs. Frei nach dem Motto „Der Erfolg gibt ihnen recht“ wird so aus den Überlegungen zur richtigen Strategie ein recht unverhohlen patriotisches Werk, das inmitten der Brexit-Illusionen von der einstigen Glorie träumt. Zum Ende hin wird das ärgerlich, wenn Die dunkelste Stunde ein recht schamloses Kitschbad nimmt, bis zum Rand gefüllt mit nationalistischen Streicheleinheiten. Aber davon war ja auch Dunkirk nicht frei, so wie viele Kriegsfilme gern ein bisschen dicker auftragen. Glücklicherweise stören diese hässlichen Züge den Film aber minimal, das Biopic ist prall gestopft mit unterhaltsamen, teils spannenden Szenen über die Hinterzimmer des Krieges. Und einem Oldman, der zu Hause besser schon mal ein bisschen Platz schaffen sollte für den zu erwarteten Filmpreisregen.



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Die Rettung von Dünkirchen und die Suche nach einer passenden Strategie gehören zu den spannendsten Geschichten des Zweiten Weltkriegs. „Die dunkelste Stunde“ scheut sich jedoch – trotz seines Titels – ein wenig vor diesen Abgründen, ist über längere Strecken lieber ein launig-komisches Porträt des mit Schrullen überladenen Winston Churchill. Das ist inhaltlich nicht immer befriedigend, vor allem zum kitschigen Ende hin, aber doch sehr unterhaltsam und vor allem für Gary Oldman sehenswert, der hier wohl die Rolle seines Lebens spielt.
7
von 10