Die Spur
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(OT: „Pokot“, Regie: Agnieszka Holland, Polen/Deutschland/Tschechische Republik/Schweden/Slowakei, 2017)

Die Spur
„Die Spur“ läuft ab 4. Januar 2018 im Kino

So richtig ernst nimmt Janina Duszejko (Agnieszka Mandat-Grabka) eigentlich niemand. Wenn sie nicht gerade ihr Umfeld mit spirituellen Theorien um den Verstand bringt, dann geht sie alle mit ihrem militanten Vegetarismus auf die Nerven. Problematisch wird es erst, als die Seniorin, die stundenweise Englisch unterrichtet, mit den Kindern nachts in den Wald geht, um ihre verschwundenen Hunde zu suchen. Der Ärger darüber verfliegt jedoch schnell, als sich in der Folgezeit mehrere Morde ereignen und die einzigen Spuren die von Tieren sind. Während die Polizei fieberhaft nach einem Täter sucht, ist für Janina der Fall klar: Die Tiere wollen sich nicht länger die Misshandlungen durch die Menschen gefallen lassen und haben nun angefangen, sich an ihnen zu rächen.

Es ist schon ein eigenartiger Film, den Agnieszka Holland da gedreht hat. Die polnische Regisseurin, die zuletzt einige Folgen von House of Cards und die Mini-Serie Rosemary’s Baby gedreht hat, nahm sich hier eines Romans ihrer bekannten Landsmännin Olga Tokarczuk an. Trotz der geballten polnischen Frauen Power wähnt man sich hier aber zunächst im hohen Norden. Nicht nur, dass die Geschichte ausschließlich in einer abgelegenen Waldgegend spielt, auch die düstere Bildsprache erinnert sehr an die beliebten Thriller aus Skandinavien. Ganz zu schweigen davon, dass in Die Spur niemand geschont wird – nicht Mensch, nicht Tier, nicht Publikum.

Düster und schrullig zugleich
Und doch ist die Romanverfilmung von Anfang an ein wenig neben der Spur, ein wenig anders. Die Atmosphäre ist ein klein wenig märchenhaft, erinnert zumindest in Ansätzen an den estnischen Kollegen November. Es gibt Kapiteleinteilungen in Jahreszeiten, Auskünfte über das jeweils zum Jagen freigegebene Wild inklusive. Vor allem aber ist Janina die wohl schrulligste Detektivin, welche die Filmwelt seit den 1960er Miss-Marple-Adaptionen mit Margaret Rutherford (16 Uhr 50 ab Paddington) gesehen hat. Die eigenartigen Ansichten zur Astrologie, die immer aus dem Nichts kommen. Ihre schrillen Angriffe auf die Mitbürger, die Tiere einfach nur aus Spaß jagen und sich dabei sogar auf Gottes Seite behaupten.

Über längere Strecke ist Die Spur dann auch weniger Krimi als vielmehr Porträt einer polnischen Dorfgemeinschaft und der dortigen Konflikte. Da treten Traditionalisten gegen progressive Kräfte an, Jäger gegen Tierschützer, Rationalisten gegen spirituell veranlagte Menschen, Männer gegen Frauen. Es ist ein ungleicher Kampf. Der unterschiedlichen Machtverhältnisse wegen – die Leute rotten sich gern gegen andere und schwächere zusammen. Aber auch der unterschiedlichen Behandlung durch Holland wegen. Auch wenn Janina immer wieder durch eigenwillige Äußerungen irritiert, so wird sie doch eindeutig als die „Gute“ präsentiert. Sie ist eine der wenigen Figuren, die man überhaupt mögen kann. Bei ihren Gegnern reicht es nicht einmal für echte Charaktereigenschaften, die diversen Macho-Urgesteine lassen sich kaum auseinanderhalten.

Unausgewogen, aber lohnenswert
Das ist nicht unbedingt immer subtil, selbst als Tiersympathisant darf man hier an der einen oder anderen Stelle mit den Augen rollen. Unterhaltsam dafür umso mehr. Zum einen gesellen sich zu der Widerstandskämpferin mit der Zeit noch andere Charaktere, die allesamt einen an der Waffel haben. Zum anderen bleibt da die düstere bis mysteriöse Atmosphäre des Films. Wie wir da durch die eingeschneiten Gegenden stapfen, links und rechts Mensch- wie Tierkadaver entdecken, das ist schon eine kunstvolle Kombination aus Grauen und Faszination. Aus seliger Idylle und barbarischem Abgrund. Der Ausflug dorthin hätte etwas kürzer ausfallen dürfen. Lohnenswert ist er aber so oder, ein kleiner, feiner Thriller, der lange offen lässt, ob er auf ein klassisches Finale hinausläuft oder ein östlicher Verwandter des Tier-TV-Trashs Zoo ist.



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Hilfe, die Tiere sind los! Oder etwa doch nicht? Wenn eine militante Vegetarierin in einem abgelegenen polnischen Dorf gegen Traditionen ankämpft, dann ist das nicht immer subtil. Dafür ist der Krimi rund um mysteriöse Morde schön atmosphärisch, kombiniert das düstere Ambiente der Skandinavier mit diversen unterhaltsamen Schrullen.
7
von 10