(OT: „Drei Zinnen“, Regie: Jan Zabeil, Deutschland/Italien, 2017)
Zwei Jahre ist es nun schon her, dass sich Lea (Bérénice Bejo) von ihrem Mann getrennt hat, um mit Aaron (Alexander Fehling) zusammen sein zu können. Und eigentlich läuft es auch gut mit ihnen, Leas Sohn Tristan (Arian Montgomery) versteht sich prima mit seinem Ersatzpapa. Ganz eingespielt ist das neue Team dann aber doch noch nicht, wie sich bald herausstellt: Als die drei zusammen in die Berge fahren, um in einer kleinen Hütte Urlaub zu machen, kommt es schnell zu Konflikten. Erst sind sie noch klein, werden jedoch bald größer und drohen schließlich, außer Kontrolle zu geraten.
Eine malerische, geradezu mythische Naturkulisse, davor agiert irgendwo Alexander Fehling – das war schon in Der Fluss war einst ein Mensch so. Und auch im zweiten Film von Regisseur und Drehbuchautor Jan Zabeil werden beide eine wichtige Rolle spielen. Hier tauscht er jedoch die Wildnis Botswanas gegen die Berglandschaft Südtirols, um mit ihrer Hilfe ein Familiendrama der etwas anderen Art zu erzählen. Drei Zinnen lautet dieses, bezieht sich damit auf drei Berge dort. Was aber eigentlich gemeint ist, das verrät Tristan, als er ihnen gegenübersteht: Papa, Mama, Kind.
Die kleinen Risse in der Bergfassade
Zunächst sieht es ja auch genau danach aus, wenn wir die drei kennenlernen. Zusammen plantschen sie im Pool, Aaron bringt Tristan das Schwimmen bei, die Sonne strahlt, von überall her hören wir Lachen. Nur die Sprache sorgt für kleinere Irritationen: Lea möchte, dass ihr Sohn auf Französisch mit ihr spricht, der weigert sich jedoch beharrlich. Auch später wird Sprache immer wieder als Mittel genutzt, um die Beziehungen und Konflikte aufzuzeigen. Deutsch, Englisch, Französisch – in den Konversationen gibt es einen fliegenden Wechsel. Hinzu kommen die regelmäßigen Anrufe von Tristans Papa George, den wir nie zu Gesicht bekommen; wir hören lediglich die Reaktionen der anderen. So wie George trotz seiner Abwesenheit die Familie bestimmt.
Erste Anzeichen, dass etwas im Argen liegt, die finden sich also schon recht früh. Losgelöst vom Alltag, zusammen eingepfercht in der Weite des Naturnichts, werden Anzeichen aber schnell zu mehr. Der idyllische Urlaub wandelt sich zunehmend in einen Albtraum. Die abgelegene Gegend, die blassen Bilder, das knarrende Holz – Drei Zinnen bereitet eine Bühne vor für einen hausgemachten Thriller, wenn nicht gar einen Horrorfilm. Nur kommt hier kein Axtmörder vorbei, auch kein Yeti. Die größte Bedrohung, die entspringt hier einer Gruppe ganz normaler Menschen, die sich nicht ganz einig ist, wie sie sich selbst definieren soll.
Der Alltag hinter dem Albtraum
Das ist in den gezeigten Auswüchsen vielleicht nicht immer gleich glaubwürdig. Die aggressiven Stimmungswandel von Tristan. Die starrsinnige Lea. Aaron, der eigentlich viel zu gut für alles ist. Es ist auch nicht allzu subtil, wie hier Stimmung gemacht und die Daumenschrauben angelegt werden. Wohl aber ist es effektiv. Wenn Zabeil hier einen Familienausflug eskalieren lässt, dann mag das ein Worst Case Szenario der besonderen Art sein. Doch darin verwoben sind ganz alltägliche Konflikte, wie sie selbst in normalen Familien vorkommen. Eifersucht, Misstrauen, Neid, Angst, Abhängigkeit, all die hässlichen Gefühle, die in uns schlummern und nur darauf warten, ans Tageslicht zu gelangen.
Drei Zinnen ist deshalb gleich in mehrfacher Hinsicht spannend. Dass das hier nicht gut ausgehen kann, das spürt man schnell. Worauf es genau hinauslaufen wird, das lässt sich jedoch kaum vorhersagen. Aber das Drama hat eben auch eine Menge über das menschliche Miteinander im Allgemeinen zu sagen, zeigt Mechanismen und Dynamiken, die sich einschleichen, unbemerkt im Gange sind, bis es fast zu spät ist. Veredelt wird dieses Schlittern in den Abgrund durch die sehr guten Leistungen des Darstellertrios sowie die fantastischen Naturaufnahmen, die ähnlich wie die Familie selbst erst idyllisch und später bedrohlich erscheinen.
(Anzeige)