Das hat Erwan (François Damiens) nun gerade noch gefehlt. Als hätte der 45-jährige Witwer mit seiner schwangeren Tochter Juliette (Alice de Lencquesaing), die ihm partout nicht den Namen des Erzeugers verraten will, nicht schon genug Ärger, erfährt er bei einer Untersuchung, dass sein eigener Vater Bastien (Guy Marchand) unmöglich sein biologischer Vater sein kann. Eine angeheuerte Privatdetektivin findet zwar schnell heraus, dass eigentlich nur der 70-jährige Joseph (André Wilms) für ihn in Frage kommt. Das macht die Sache aber nicht unbedingt leichter, umso mehr als er dabei auch noch Anna (Cécile de France) kennenlernt und sich in sie verliebt.
Es ist nicht alles immer so, wie es nach außen hin erscheint. Das trifft auf die Figuren in Eine bretonische Liebe zu, die feststellen müssen, dass viele als selbstverständlich angenommenen Wahrheiten nicht so ganz der Wahrheit entsprechen. Und es trifft auf den Titel zu. Während der Film im Original noch davon spricht, bitte letzte Zweifel auszuräumen, erweckt die deutsche Fassung den Eindruck, es mit einer generischen Regionalromanze zu tun zu haben. Dass die Geschichte in der Bretagne spielt, ist dabei aber völlig nebensächlich. Und auch die Gefühle zwischen Erwan und Anna stehen nicht so sehr im Mittelpunkt, wie man vorab vermuten könnte.
Gefühlvolles Chaos
Um Gefühle geht es insgesamt aber schon. Sehr sehr komplizierte Gefühle. Die zwischen Eltern und Kind. Zwischen Partnern. Zwischen Menschen, die sich gar nicht so sicher sind, in welcher Beziehung sie überhaupt zueinander stehen. Die Geschichte selbst klingt dabei natürlich etwas hanebüchen. Als würde das Grundproblem – Vater und Sohn müssen erkennen, dass sie gar nicht verwandt sind – nicht schon genug Stoff für allerlei Überlegungen zum Familienbegriff geben, macht Carine Tardieu an der Stelle nicht Halt. Die französische Regisseurin und Co-Autorin baute noch zufällige Begegnungen, amouröse Verwicklungen und mit Tochter Juliette einen zweiten Handlungsstrang rund ums Elternwerden ein. Das ist so übertrieben verwickelt, jede Soap Opera wäre stolz darauf.
Nur hat Tardieu glücklicherweise gar nicht die Absicht, diese vielen Ereignisse melodramatisch ausschlachten zu wollen. Eine bretonische Liebe ist aber auch keine der Blödelkomödien, mit denen uns Frankreich zuletzt ein wenig gequält hat. Stattdessen ist der Film bei aller Übertriebenheit angenehm zurückhaltend. Sieht man einmal von dem Berufsidioten Didier (Estéban) ab, der nicht nur Erwan bei der Arbeit auf die Nerven geht, sind die Töne eher leise. Die allmähliche Annäherung von Erwan und Joseph, eine Szene zwischen Juliette und Bastien – der Film zeigt sehr schön, wie die Protagonisten mit der Situation überfordert sind und ihre eigenen Antworten suchen.
Lustig und sympathisch
Zu lachen gibt es zwischendurch aber trotz der ernsten Fragen genug. Allein schon Erwans Beruf des Minensuchens ist so obskur, dass er diverse witzige Momente zur Folge hat. Ansonsten aber sind es die Figuren, welche den Film auszeichnen, sowie die Darsteller, die ihnen Leben einhauchen. Damiens (Verstehen Sie die Béliers?) als gutmütig-unbeholfener Sohn, de France (L’auberge espagnole – Barcelona für ein Jahr) als kratzbürstige Ärztin, Wilms, der als netter, etwas einsamer Rentner schnell ans Herz wächst. So wie sie einem hier fast alle schnell ans Herz wachsen und man ihnen das Beste wünscht. Dass der Film dabei offenlässt, was das Beste eigentlich ist, man das Glück suchen, aber nicht unbedingt definieren kann, macht den französischen Überraschungserfolg umso sympathischer.
OT: „Ôtez-moi d’un doute“
Land: Frankreich
Jahr: 2017
Regie: Carine Tardieu
Drehbuch: Carine Tardieu, Michel Leclerc, Raphaële Moussafir, Baya Kasmi
Musik: Eric Slabiak
Kamera: Pierre Cottereau
Besetzung: François Damiens, Cécile de France, Guy Marchand, André Wilms, Alice de Lencquesaing, Estéban
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