(OT: „Ferdinand“, Regie: Carlos Saldanha, USA, 2017)
Sich in der Arena mit dem Matador messen, das ist für alle Bullen auf dem Hof der große Traum. Nur Ferdinand kann dem Ganzen nicht so viel abgewinnen. An Blumen schnuppern ist doch viel besser! Als sein Vater eines Tages dazu auserkoren wird, in der Arena zu kämpfen, jedoch nie zurückkommt, hält es Ferdinand dort keine Sekunde länger aus. So schnell er kann macht er sich aus dem Staub und hat tatsächlich Glück: Er wird von der kleinen Nina aufgenommen und zu ihrem besten Freund. Aber ein Stier bleibt nun mal ein Stier, vor allem wenn er so groß und imposant ist wie Ferdinand. Und so wird ihm der Besuch der geliebten Blumenshow inklusive einer Reihe von Missgeschicken zum Verhängnis. Das Ende vom Lied: Ausgerechnet er soll nun selbst kämpfen. Da braucht er schon eine Menge Hilfe, um aus der Nummer wieder herauszukommen.
So langsam droht die Luft da oben im Animationsolymp ein bisschen dünn zu werden. Disney, Pixar Studios und DreamWorks Animation hauen sich seit Jahren ihre enormen Budgets um die Ohren, Illumination ist dank gewisser Fieslinge zur ersten Garde aufgestoßen, Sony Pictures Animation will in Zukunft gleich mehrere Filme pro Jahr ins Kino bringen. Bleibt da wirklich noch Platz für die Blue Sky Studios? Zuletzt lief es dann auch nicht besonders für die Amerikaner. Ice Age 5 – Kollision voraus! spielte nur noch die Hälfte des Vorgängers ein, die charmante Comic-Adaption Die Peanuts – Der Film entzückte zwar die Herzen der Kritiker, belegt aber kommerziell den letzten Platz der bisher elf Filme des Animationsstudios. Ob das bei Nummer zwölf besser gelingen wird, ist zumindest fraglich, da mit Coco – Lebendiger als das Leben und Bo und der Weihnachtsstern gleich zwei Konkurrenten fast zeitgleich an den Start gehen.
Ein guter alter Bekannter
Qualitativ ist Ferdinand – Geht stierisch ab! jedoch eine schöne Überraschung, der tatsächlich mehr Erfolg zu wünschen wäre. Der Film gehört nicht nur zu den besseren der Blue Sky Studios, er ist auch einer der sympathischsten. Die Grundlage hierfür liefert das Kinderbuch „Ferdinand, der Stier“ von Munro Leaf aus dem Jahr 1936. Das ist in Animationskreisen kein Unbekannter: Disney hatte das Buch zwei Jahre nach Erscheinen umgesetzt und dafür einen Oscar für den besten animierten Kurzfilm erhalten. Im Jahr 2017 muss das aber natürlich alles ein bisschen größer sein, der Film dauert rund anderthalb Stunden und vertraut auf die nunmehr vorherrschende Computergrafik.
Die ist übrigens sehr schön geworden. Eine angenehme Farbwahl, detaillierte Hintergründe, gute Animationen – von den typischen Gummibewegungen der Menschen einmal abgesehen. Vor allem aber gefällt Ferdinand durch die zum Teil sehr ungewöhnlichen Designs der Figuren. Wo man diese im Bereich der CGI-Filme oft kaum auseinanderhalten kann, sind sie hier doch so witzig, dass sie einiges an Wiedererkennungswert mitbringen. Ansonsten ist der Humor jedoch eher hit and miss. Während beispielsweise der tollpatschige Auftritt Ferdinands in der Stadt ein Höhepunkt darstellt, sind andere Scherze zu anstrengend bzw. zu repetitiv. Kuriose Nebenfiguren schön und gut. Wenn sie aber derart exzessiv eingesetzt werden, dann greift das eher die Nerven denn die Lachmuskeln an. Und die slapstickreiche Finale passt auch nicht so recht zur Geschichte.
Achtung, rührend!
Letztere ist dabei aber tatsächlich ein positives Element – nicht gerade selbstverständlich bei den heutigen Blockbuster-Animationsfilmen. Die Idee des Pazifismus, welche das Buch damals beseelte, sie bestimmt auch mehr als 80 Jahre später das Geschehen. Anfangs erinnert Ferdinand an viele andere Geschichten, in der sich Figuren gegen die ihnen zugeschriebene Rolle auflehnen – ein Manolo und das Buch des Lebens mit umgekehrten Vorzeichen. Doch es ist das überraschend explizite und letztendlich emotionale Finale, welches in Erinnerung bleibt und diverse vorangegangene Längen vergessen lässt. So sehr der Film zuvor herumgealbert hat, so sehr zeigt er an der Stelle Herz und dass es in dieser Welt doch auch noch anders geht. Und das allein verschafft dem quirligen Abenteuer zum Schluss noch einen dicken Sympathiebonus.
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