Leaning into the Wind
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Leaning into the Wind – Andy Goldsworthy

(OT: „Leaning into the Wind“, Regie: Thomas Riedelsheimer, Deutschland, 2017)

Leaning into the Wind
„Leaning into the Wind“ läuft ab 14. Dezember 2017 im Kino

„Ist das Kunst oder kann das weg?“ lautet ein oft benutzter Spruch, wenn es darum geht, sich humorvoll mit der Wertfrage eines Kunstwerks auseinanderzusetzen. Denn oft genug darf man sich schon fragen, was genau eine Arbeit zur Kunst macht. Machen soll. Das darf man bei Andy Goldsworthy natürlich auch, umso mehr da seine Materialien ganz anders sind, als wir es bei herkömmlicher Kunst gewohnt sind. Während die erste Option der Frage dann auch tatsächlich mit einem Fragezeichen endet, ist die zweite Option unstrittig. Ja, Goldsworthys Kunst kann weg. Sie muss es sogar. Denn das ist oftmals der Punkt.

Viele von uns dürften als Kinder mit Kastanien und Blättern gespielt und daraus kleine Gebilde gebastelt haben. Die waren dann der große Stolz von Papa und Mama, bis sie entsorgt wurden. Bei den in Leaning into the Wind gezeigten Werken muss sich niemand um das Entsorgen kümmern, das macht die Natur meistens ganz von allein. Zum zweiten Mal nach Rivers and Tides hat Regisseur Thomas Riedelsheimer einen Dokumentarfilm über den englischen Künstler Andy Goldsworthy gedreht. Das Besondere an dessen Werken ist, dass sie nicht in Ateliers oder Galerien zu Hause sind, sondern draußen in der Natur. Manchmal auch mitten in der Stadt.

Es regnet, es regnet, der Boden wird nicht nass!
Eines seiner filmischen ausgestellten Werke: Der 61-Jährige legt sich auf einen Bürgersteig, als es anfängt zu regnen. Nach einiger Zeit steht er wieder auf, zurück bleibt am Boden ein Umriss seines Körpers, der unter dem Einfluss des nachkommenden Regens zunehmend verschwindet. Andere Beispiele sind noch weniger greifbar. Da sehen wir, wie der Brite sich durch das Geäst eines Baumes kämpft oder sich mit dem Wind anlegt – entsprechend dem Titel der Doku. Und noch bevor wir zu einem Schluss gekommen sind, was die Aktion sollte und worin ihr Wert liegt, ist diese bereits vorbei.

Einige dieser Darbietungen sind lustig, andere faszinierend, manchmal auch ein wenig melancholisch. Vergänglichkeit ist ein wichtiges Thema bei Goldsworthy, die Schönheit von Natur, die Frage, wie wir mit dieser umgehen. Sehr viel theoretischen Unterbau bekommen diese Verarbeitungen natürlichen Materials nichts. Zwar kommt der Künstler diverse Male zu Wort, ohne aber wirklich viel zu verraten. Andere Menschen hat Riedelsheimer ohnehin nicht befragt, von einigen wenigen Helferlein des Briten einmal abgesehen ist Leaning into the Wind eine One-Man-Show.

Nichts ist vergänglich, alles ist Kunst
Und ist die dann wenigstens Kunst? So richtig? Schwer zu sagen. Der Informationsgehalt ist recht gering, auch Goldsworthy bleibt trotz seiner ständigen Präsenz ein Mysterium. Wer er ist oder was ihn antreibt, das verschwindet so schnell hinter seinen Werken, wie auch diese verschwinden. Aber es ist dann doch ein sehenswerter, eigener Anblick. Das leuchtende Gelb der von ihm verwendeten Blätter, die Mauer, die durch den Wald führt, seine Regensilhouette – Leaning into the Wind lehrt uns, die Welt da draußen wieder ganz anders zu entdecken, neu zu interpretieren und zusammenzusetzen. Das ist vielleicht nicht die Antwort, die wir gesucht haben, aber doch eine fraglos schöne Begegnung mit einem ungewöhnlichen Künstler, kindlich und verkopft zugleich.



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Malerei oder Bildhauerei, das entspricht nicht dem Kunstbedürfnis von Andy Goldsworthy. Stattdessen begleitet die Dokumentation den englischen Künstler, während er draußen in Natur und Stadt bewusst vergängliche Werke schafft. Die ungewohnten Anblicke sind mal komisch, dann wieder faszinierend und melancholisch, eine eigenwillige Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat.