(OT: „S.U.M. 1“, Regie: Christian Pasquariello, Deutschland, 2017)
Als eines Tages riesige, übermächtige Außerirdische die Erde angreifen, konnten die Menschen dem nicht viel entgegensetzen. Ein kleiner Teil konnte überleben, indem er sich tief unter die Erde zurückgezogen hat und nun in Bunkern lebt. Einige wenige sind es nur, die jetzt noch Zugang zur Oberfläche haben. Soldaten, deren Aufgabe darin besteht, auf Flüchtlinge aufzupassen, die in den Wäldern wohnen, und vor Angriffen der sogenannten Nonesuch zu warnen. Rekrut S.U.M. 1 (Iwan Rheon) ist das neueste Mitglied, das diese Aufgabe übernommen hat. Ehrenvoll ist sie, spannend jedoch weniger, der Alltag besteht aus strikter Routine. Doch je mehr Zeit er allein in dem Wachturm verbringt, umso größer wird sein Misstrauen. Was ist wirklich mit seinem Vorgänger passiert, der spurlos verschwunden ist? Und was geht da draußen in den dunklen Wäldern vor sich?
Die Zukunft gehört uns allen! So sollte man zumindest meinen. Vergleichbar zum Umgang mit wertvollen Ressourcen und der Natur, so lautet aber auch bei filmischen Zukunftsvisionen das Motto „America first“! Nicht, dass es in anderen Ländern keine Visionäre gäbe. Es fehlt nur an dem nötigen Geld, das Kopfkino entsprechend auf die Leinwand zu bringen, die nationale Zielgruppe reicht normalerweise nicht aus, um große Finanzspritzen zu rechtfertigen. Siehe Deutschland. Dann und wann versuchen sich hiesige Filmemacher durchaus an dem Science-Fiction-Genre. Aber es bleiben kleinere Produktionen wie Wir sind die Flut oder Stille Reserven, die budgetbedingt eher auf Atmosphäre und Szenario setzen, weniger auf bildgewaltige Handlung.
Außerirdische, wo seid ihr?
Da reiht sich auch S.U.M. 1 ein. Ein Film, von dem offensichtlich nicht einmal der Verleih wirklich erwartet, dass ihn viele Leute sehen wollen. Das ist einerseits schade, da dies dem deutschen Genrefilm nicht unbedingt nutzt – wobei deutsch hier in Anführungszeichen stehen müsste, schließlich wurde die Hauptrolle mit einem Waliser besetzt, der Film selbst auf Englisch produziert. Andererseits ist das verständlich. Science-Fiction ist allgemein hierzulande nur selten ein Geldbringer. Und das ohnehin schon eher überschaubare Zielpublikum wird mit dem Gebotenen vielleicht auch nicht unbedingt glücklich werden, da es nicht ganz das bringt, was man vielleicht erwarten könnte.
Das soll nicht bedeuten, dass S.U.M. 1 ein schlechter Film wäre. Er ist nur erstaunlich ruhig. Die epische und fatale Schlacht mit den Außerirdischen, die wird hier in erster Linie als Prolog erzählt, nicht wirklich gezeigt. Ein Großteil des Films besteht darin, dass die Titelfigur alleine in seinem Bunker hockt. Die Herausforderung für den jungen Soldaten ist dann auch nicht, sich gegen Heerscharen von Invasoren zu verteidigen, sondern gegen Einsamkeit. Wie geht man damit um, der einzige Mensch zu sein und mit niemandem kommunizieren zu können? Wenn S.U.M. 1 seine eigenen Wege sucht, mit der Situation fertig zu werden, dann erinnert das an andere Isolationsausflüge wie Zero Gravity – Antrieb Überleben.
Das glaub ich jetzt nicht …
Nach und nach wandelt sich das jedoch, Regisseur und Drehbuchautor Christian Pasquariello reichert das Drama doch noch mit Genreelementen an. Wohl auch unter dem Eindruck des undurchsichtigen Waldes zweifelt der Protagonist zunehmend an allem: seiner Wahrnehmung, anderen Menschen, der Überlieferung der Nonesuch. S.U.M. 1 wird so zu einem Paranoiathriller, dessen futuristisches Szenario zu einem Hintergrund für geistige Abgründe. Atmosphärisch ist das nicht schlecht gelöst. Die blaustichigen, sehr kalten Bilder einer Welt, in der es kein Leben mehr gibt, bilden eine angemessene Bühne für Angst und Wahnsinn. Rheon (Residue, Misfits) holt zudem aus der Rolle heraus, was herauszuholen ist.
Das Problem ist nur: Da gibt es nicht wirklich viel zu holen. Schon der Name der Figur – S.U.M. 1 wird wie „someone“ gelesen – verrät, dass wir nicht sehr viel Tiefe von ihr zu erwarten haben. Auch die Rolle des später hinzustoßenden André Hennicke (Continuity) ist mit so wenig Persönlichkeit ausgestattet, dass man anfangs nicht genau weiß, ob dieser einen Menschen oder einen Roboter spielen soll. Da sich der Film auch hinsichtlich der Geschichte eine ganze Weile im vagen Nebel verläuft, mangelt es ihm an der nötigen Intensität. Anders gesagt: Man nimmt dem Soldaten ab, dass ihn die Situation belastet. Es fehlt nur ein echter Grund, warum einen das interessieren sollte. Wer dem deutschen Genrefilm skeptisch gegenübersteht, der findet hier deshalb zwar einige vielversprechende Ansätze, insgesamt aber doch zu wenig, um die eigenen Vorurteile revidieren zu müssen.
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