Soy Nero
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Soy Nero

(OT: „Soy Nero“, Regie: Rafi Pitts, Deutschland/Frankreich/Mexiko, 2016)

Soy Nero DVDWer Nero (Johnny Ortiz) nach seiner Nationalität befragt, der bekommt eine eindeutige Antwort: Er ist US-Amerikaner. Was anderes kommt für ihn nicht in Frage, schließlich ist er ja auch in Kalifornien aufgewachsen. Die Behörden sehen das etwas anders und weisen den 19-jährigen Mexikaner aus dem Land. Seine einzige Chance, doch noch die begehrte Green Card zu bekommen, ist der „Dream Act“. Wer für die USA in den Krieg zieht, darf anschließend auch bleiben. Angetrieben von diesem Wunsch zieht Nero durch das Land, lernt den Familienvater Seymour (Michael Harney) kennen, trifft sich mit seinem Bruder Jesus (Ian Casselberry) und darf zum Ende hin auch zur Waffe greifen. Doch wohin er auch geht, er muss einsehen, dass vieles nicht so ist, wie es nach außen hin erscheint.

Der Feind deines Feindes ist dein Freund. Ein bisschen zumindest. Wie wenig die aktuelle US-Regierung von dem südlichen Nachbarn Mexiko hält, das hat sie unmissverständlich klar gemacht. Und doch: Als Kanonenfutter machen sie sich nicht schlecht. Wenn sie sich bewähren, für uns die Drecksarbeit machen, dann dürfen sie bleiben. Vielleicht. Klingt zynisch, ist aber Teil des bereits 2001 eingeführten Dream Acts, der jugendlichen Immigranten die Aufnahme in den USA erleichtern sollte. Jener Act, der inzwischen Trump ein Dorn im Auge ist. Wie alles, was anderen hilft.

Anprangerung eines menschenverachtenden Systems
Über Politik geht es in Soy Nero aber nur zum Teil. Nero stellt besagten Act vor, um Seymour aufzuklären, vermutlich aber auch das internationale Publikum, das in den amerikanischen Einwanderungsbestimmungen weniger zu Hause ist. Dass dies nur sehr verkürzt geschehen kann, liegt in der Natur der Sache. Regisseur und Co-Autor Rafi Pitts will sich gar nicht im Detail mit dem Pro und Contra eines solchen Verfahrens auseinandersetzen. Ihm geht es mehr um eine Anprangerung eines Systems, das Menschen ausnutzt und sie später fallenlässt. Eine Erinnerung an all die Jugendlichen, die tatsächlich in den Krieg zogen, nur um dann doch abgeschoben zu werden.

Das ist als Thema schon interessant genug – oder auch schockierend. Und doch reicht das Pitts nicht. Stattdessen bettet der britisch-iranische Filmemacher die Geschichte in eine allgemeine Demontage des American Dreams ein. Auf der Suche nach dem Glück und der persönlichen Erfüllung sind sie hier alle. Aber die Figuren finden nur Abbilder davon. Lügen, die ihnen von der Regierung oder anderen erzählt werden. Lügen, die sie sich auch selbst erzählen. Ob es absurde Verschwörungstheorien sind, die im Umlauf sind oder Leute, die sich für etwas anderes ausgeben, die Reise von Nero beginnt voller Hoffnung und endet in Desillusionierung und Verzweiflung.

Ohne großen Zusammenhang, aber sehenswert
Geradlinig ist die Reise dabei nicht. Soy Nero wählt vielmehr eine etwas gewöhnungsbedürftige Struktur: Der Film besteht aus drei Teilen, die chronologisch aufeinander aufbauen und doch kaum Bezug zueinander haben. Der Wunsch von Nero, durch einen Militärdienst in den USA bleiben zu dürfen, ist es, der die Teile zusammenhält. So ganz gelingt das aber nicht. Nicht nur, dass die Übergänge ziemlich abrupt sind und das Publikum mit offenen Fragen zurücklassen, teils ohne echte Einleitung und Erklärung.

Pitts will sich zudem auch bei Stimmung und Ton nicht ganz festlegen. Sozialdrama, Kriegsschrecken und Satire, alles findet sich in den rund 110 Minuten wieder, die der Film dauert. Interessant sind die einzelnen Bestandteile, wären jeweils auch als komplette Einzelfilme vorstellbar. Die Geschichte kommt auf diese Weise jedoch nur schwer in Fluss, auch der Zugang zu den Figuren wird durch die Sprunghaftigkeit erschwert. Sehenswert ist die internationale Coproduktion aber ohne jeden Zweifel, und sei es nur, um auf den menschenverachtenden Umgang mit Träumen aufmerksam zu machen.



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Ein junger Mexikaner, der in den USA aufgewachsen ist, will Soldat werden, um auf diese Weise eine Aufenthaltsgenehmigung zu erlangen. Das hört sich als Europäer befremdlich an, ist aber Teil eines größeren Eingliederungsplanes. Oder tut zumindest so. Tatsächlich ist „Soy Nero“ eine bittere Demontage des American Dreams, die zwar nie so recht in Fluss kommt, aber doch sehenswert ist.
7
von 10