Transfiguration

The Transfiguration

(OT: „The Transfiguration“, Regie: Michael O’Shea, USA, 2016)

TransfigurationFür den 14-jährigen Milo (Eric Ruffin) gibt es nichts Größeres im Leben als Vampirfilme. Es gibt aber auch nicht wirklich etwas anderes in seinem Leben. Seine Eltern sind tot, sein älterer Bruder Lewis (Aaron Moten) taugt auch nur wenig als Vorbildfunktion. Nur wenn er sich diese Filme anschaut, fühlt er sich in seiner Haut – ist er doch davon überzeugt, selbst ein Vampir zu sein. Kompliziert wird es, als er Sophie (Chloe Levine) kennenlernt. Er entwickelt schnell Gefühle für das Mädchen, weiß aber nicht so wirklich, wie er mit diesen umgehen soll. Und wie soll er ihr erklären, dass er anderen Menschen das Blut aussaugt?

Die Zeit, in der Vampire einfach nur böse Monster sind, denen es einen Pflock ins Herz zu rammen gilt, die ist schon eine Weile vorbei. Der heutige Blutsauger von Welt ist eigentlich ein Mensch oder wäre es zumindest gerne, hadert mit seinem Dasein als Außenseiter, Mörder. Manchmal auch mit der Liebe. Das mag man als Horrorpurist bedauern, ebenso dass so mancher Vertreter gern mal mit Kitsch spielt. Aber es sind doch auch immer mal wieder interessante Beispiele dabei. Einer davon ist The Transfiguration, welcher Anfang 2017 im Rahmen der Fantasy Filmfest White Nights gezeigt wurde.

Ein Vampir, wie man ihn selten sieht
Am meisten sticht hier natürlich der Protagonist hervor. Während Jugendliche die Untotenbühne zuletzt dominiert haben, ist 14 Jahre schon ziemlich jung. Milo ist auch kein Poster Boy, den man anhimmeln könnte. Stattdessen: ein schwarzer Waisenjunge, der in einem Ghettoviertel lebt. In The Transfiguration gibt es dann auch keine Gruften oder dunkle Wälder, nicht einmal schick eingerichtete Nobelwohnungen. Hier ist alles ein wenig dreckig und heruntergekommen. Ähnlich zu Midnight Son – Brut der Nacht, welches von einem Großstadt-Vampir wider Willen erzählt, ist der Film deswegen aber nicht hässlich. Regisseur und Drehbuchautor Michael O’Shea findet immer wieder reizvolle Kontraste, verborgene, meist menschenleere Orte voll eigener Schönheit und spröder Magie.

Die passen dann auch sehr schön zu der melancholischen Stimmung des Films. Blut fließt in The Transfiguration, Milo geht eigentlich nie ohne Waffen aus dem Haus. Er scheint auch keine größeren Probleme damit zu haben, das eine oder andere Leben zu beenden – tierisches wie menschliches. Und doch ist die amerikanische Produktion mehr Drama denn Horror, erzählt davon, wie ein Junge seinen Platz um Leben sucht. Typisches Coming of Age à la American Independent. O’Shea lässt es dabei auch offen, ob der Junge nun tatsächlich ein Vampir ist oder einfach nur psychisch gestört. Es spielt nicht einmal wirklich eine Rolle.

Nicht wirklich spannend, aber atmosphärisch
Für das typische Publikum beim Fantasy Filmfest war das ein bisschen wenig, weswegen der Film auch gleich mit einer Warnung angekündigt wurde: „Achtung, jetzt wird es ruhig!“ O’Shea, der hier einen eigenen Kurzfilm auf Spielfilmlänge ausbreitet, tut sich etwas schwer damit, einen Spannungsbogen aufzubauen. Wer sich daran nicht stört, der findet jedoch einen schön gefilmten, etwas anderen Vampirfilm, der gerade Experten das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Milo ist nicht nur ein (Pseudo-)Vampir, sondern ein echter Kenner der Materie. Die Wohnung ist vollgestopft mit Andenken an filmische Vorgänger und Idole, dazu gibt es Anspielungen und Metakommentare über den Vampirfilm als solchen. Ob das bei einem 14-Jährigen von heute so wahnsinnig glaubwürdig ist, darüber lässt sich streiten. Und über das eine oder andere Indie-Klischee muss man auch hinwegsehen können. Die Mischung aus Nostalgie und Melancholie stimmt aber, The Transfiguration ist ein kleines, atmosphärisches Drama mit Genreanleihen.



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Ein schwarzer Junge als Protagonist eines Vampirfilms? Das ist doch mal was anderes. Richtig viel Horror gibt es in „The Transfiguration“ trotz der Thematik nicht, stattdessen ist die Indieproduktion ein schön bebildertes Drama um einen Jugendlichen, der nicht weiß, wo er hingehört. Das ist atmosphärisch gut gelöst und steckt voller Verweise und Anspielungen, bei denen das Genreherz blutrot anläuft.
7
von 10