Three Billboards Outside Ebbing Missouri
© 20th Century Fox

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

(OT: „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, Regie: Martin McDonagh, UK/USA, 2017)

Three Billboards Outside Ebbing Missouri
„Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ läuft ab 25. Januar 2018 im Kino

Einige Monate sind bereits vergangen, seitdem die Tochter von Mildred Hayes (Frances McDormand) vergewaltigt und ermordet wurde. Doch von dem Täter fehlt noch immer jede Spur. Also beschließt sie, der Sache ein wenig mehr Nachdruck zu verleihen: Sie mietet bei Red Welby (Caleb Landry Jones) drei Werbetafeln, auf denen sie die Polizei für ihre Untätigkeit attackiert. Die Wirkung lässt nicht lange auf sich warten. Polizeichef William Willoughby (Woody Harrelson) ist alles andere als amüsiert, Officer Dixon (Sam Rockwell) will notfalls mit Gewalt dafür sorgen, dass die Tafeln entfernt werden. Aber auch bei ihrer eigenen Familie, allen voran Sohn Robbie (Lucas Hedges), reißt sie damit alte Wunden wieder auf.

Martin McDonagh ist ein furchtbar gemeiner Kerl. Nicht nur, weil er gemeine Filme dreht. Herrlich gemeine sogar. Nein, schlimmer ist, dass der britisch-irische Filmemacher einen jedes Mal ewig zappeln lässt. Nachdem er mit seinem Spielfilmdebüt Brügge sehen…und sterben? einen absoluten Kultfilm ablieferte, dauerte es vier Jahre, bis er sich mit der Killergroteske 7 Psychos zurückmeldete. Für seinen dritten Streich Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ließ er sich nun sogar fünf Jahre Zeit. Aber jede einzelne Minute dieser Wartezeit hat sich am Ende bezahlt gemacht. Denn was er uns hier beschert hat, gehört zum Besten, was das Kino in den letzten Jahren hervorgebracht hat, obwohl er es einem nicht gerade einfach macht und ständig Erwartungen ins Leere laufen lässt.

Wenn Rache unerwartete Folgen hat
Zunächst einmal scheint der Fall klar zu sein: Mildred Hayes wurde großes Unrecht zugeführt, das es zu sühnen gilt. Sie schnappt sich zwar keine Waffen, um die Täter zu bestrafen, sondern drei große Werbetafeln. Sie kämpft mit Worten, nicht mit Kugeln. Dennoch liegen Vergleiche mit Rachethrillern erst einmal auf der Hand. Vielleicht aber ist Three Billboards Outside Ebbing, Missouri auch ein Film über den amerikanischen Polizeiapparat. Dass der oft zu sehr damit beschäftigt ist, schwarzen Mitbürgern das Leben zu schwer oder ein klein wenig kürzer zu machen, anstatt sich um Recht und Ordnung zu kümmern, das haben uns eine Reihe von Schreckensnachrichten in den letzten Jahren gelehrt. Wenn Mildred gerade auch Dixon zum Vorwurf macht, andere zu schikanieren, dann freut sich das liberale Herz auf jede Menge Rassistenschelte.

McDonagh erfüllt einem diesen Wunsch aber nur zum Teil. Zwei Punkte sind es, welche die zu Beginn geschürten Erwartungen regelmäßig torpedieren. Da wäre zum einen der Humor. Den gibt es natürlich in vielen Filmen. Mancher würde sogar sagen: in zu vielen. Kaum ein Blockbuster, der heute noch darauf verzichtet, irgendwo flotte Oneliner einzubauen, um das Geschehen aufzulockern. In Three Billboards ist er jedoch deutlich schwärzer. So schwarz zum Teil, dass man nicht einmal mit Bestimmtheit sagen kann, ob da in dem Abgrund überhaupt noch so etwas wie Farbe versteckt ist. Und er kommt unerwartet, an Stellen, an denen man großes Drama vermuten würde. So etwas kann böse daneben gehen, wie kürzlich Star Wars: Episode VIII – Die letzten Jedi bewiesen hat, dessen Stimmungschwankungen einer der wichtigsten Punkte bei den Kontroversen spielen. Hier funktioniert das Nebeneinander von Drama und Komödie deutlich besser, da dies zwei Seiten derselben Medaille sind. Humor ist, wenn man trotzdem lacht, weil einem nichts anderes mehr geblieben ist.

Die vielen Arten der Schmerzbewältigung
Aber auch inhaltlich tut McDonagh eine Menge dafür, dass man zuweilen ungläubig auf die Leinwand starrt. Handlungsstränge werden komplett aufgegeben, führen in eine Sackgasse oder zumindest in überraschende Richtungen. Gleiches gilt für die Charaktere, die sich nur wenig darum kümmern, welche Schublade man ihnen reserviert hat. Die starre Einteilung in gut und böse, wie wir sie gerade im Bereich Rachethriller kennen, die funktioniert nicht. Je mehr Zeit wir mit den Figuren verbringen, umso komplexer werden sie, umso widersprüchlicher auch. Umso schrecklicher. Umso netter. Umso menschlicher. Three Billboards ist weniger ein Film um ein zu sühnendes Verbrechen, sondern um die Menschen, die damit in Berührung kommen. Um die verschiedenen Methoden, mit dem Schmerz umzugehen. Mildreds Exmann Charlie (John Hawkes), der mit einer deutlich jüngeren Frau zusammen ist. Um Williams Frau Anne (Abbie Cornish), die selbst eines zu verkraften hat. Das kann hässlich sein. Sehr sehr hässlich: Die Tragikomödie nimmt einem zuweilen den Glauben an das Gute im Menschen. Denn selbst wenn sie versuchen, etwas Gutes zu tun, kommt oft etwas Böses dabei heraus,

Und als wäre das alles nicht schon faszinierend und provozierend genug, versammelt McDonagh ein sagenhaftes Ensemble. Im Mittelpunkt steht natürlich Frances McDormand als von Wut und Schmerz zerfressene Mutter, die alles der Tätersuche geopfert hat. Die Chancen stehen gut, dass sie nach Fargo hierfür ihren zweiten Oscar einheimsen wird. Rockwell als simpel gestrickter und rassistisch motivierter Choleriker wird sich ebenfalls über den einen oder anderen Preis freuen dürfen. Insgesamt ist Three Billboards einer der großen Anwärter der kommenden Award Season – was bemerkenswert ist bei einem Film, der so gar nicht in die gediegen-gefällige Konsensschiene gehört. Aber bemerkenswert ist hier so vieles. Kaum ein Werk war in den vergangenen Monaten lustiger, kaum einer hat gleichzeitig dabei so weh getan. Kaum einer war so grotesk und hat doch so viel darüber zu sagen, was es bedeutet ein Mensch zu sein, zu leben, zu lieben und zu leiden.



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Erwartungen sind dazu da, gebrochen zu werden – so zumindest in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“. Der Film kombiniert fabelhaft bitterböse Komödie mit schmerzerfülltem Drama, verschwimmt Grenzen zwischen gut und böse und schlägt auch inhaltlich unerwartete Haken. Das Ergebnis ist einer der besten Filme der letzten Jahre, unterhält mit einem sagenhaften Ensemble und regt doch zum Nachdenken und Verzweifeln an.
9
von 10