(OT: „Vânâtoare“, Regie: Alexandra Balteanu, Deutschland, 2016)
Lidia (Corina Moise) züchtet Tauben und wohnt mit ihrer Familie am Rande von Bukarest. Denisa (Iulia Lumanare) würde ihrem Freund gern neue Schuhe kaufen. Vanessa (Iulia Ciochina) hätte gern einen Mann und hat sehr genaue Vorstellungen davon, wie der auszusehen hat. Die Lebensumstände sind also verschieden. Die drei eint jedoch, dass sie Geld brauchen. Und auch, wie sie dieses Geld verdienen: Sie alle stehen an derselben Autobahnbrücke, wo sie als Prostituierte arbeiten.
Ein bisschen schmunzeln darf man an der Stelle schon, wenn Vanessa die Anforderungen an ihren zukünftigen Mann beschreibt. Maximal 1,80 Meter soll er groß sein, maximal 75 Kilo wiegen, als Soldat arbeiten. Und grüne Augen soll er haben. Braun wäre auch noch in Ordnung. Blau oder schwarz gehen jedoch gar nicht. Die Fragen, weshalb sie derart spezifische Vorstellungen von ihm hat, sie bleiben ohne echte Antwort. Die Szene eine der wenigen humorvollen Ausnahmen in einem Film, der trostlos wie kaum ein anderer ist.
Darüber spricht man nicht!
Längere Zeit hat die rumänische Filmemacherin Alexandra Balteanu Sexarbeiterinnen begleitet, bevor sie in ihrem Spielfilmdebüt diesen eine Plattform bietet. Ungewöhnlich ist dabei jedoch, wie wenig sie die Prostitution als solche thematisiert. Bis wir überhaupt wissen, welcher Tätigkeit die Damen nachgehen, vergeht eine ganze Weile – bei einem insgesamt nur 75 Minuten langen Film ist das eine Menge. Und auch später wird eigentlich nicht darüber gesprochen, was sie da tun. Erst als zwei Polizisten hinzukommen, mit denen sie aneinandergeraten, rückt die Tätigkeit in den Mittelpunkt, nur um von den dreien gleich wieder beiseite gewischt zu werden. Sie brauchen das Geld. Das ist alles.
Allgemein gibt sich Vânâtoare recht nüchtern und schmucklos. Wenn wir einen Tag zusammen mit den Protagonistinnen verbringen, dann wirkt das so ungeschönt und unspektakulär, als handelte sich dabei um eine Dokumentation fürs Fernsehen. Und doch ist das Drama eben mehr als ein bloßes Draufhalten der Kamera. Auffällig ist beispielsweise, wie wenig wir von den Männer zu sehen bekommen, sowohl denen daheim wie auch den Kunden. Sie spielen eine große Rolle, als Geldgeber und Geldnehmer. Und sind doch nicht wichtig genug, damit sie hier in Erscheinung treten, der Fokus liegt fast durchgängig auf den dreien.
Trostlos und aufmüpfig
Auch sonst ist der Film auf eine eigenartige Weise unmittelbar und distanziert, gibt einen ungefilterten Einblick in das Leben der drei und bleibt gleichermaßen stumm. Er kombiniert auch triste Trostlosigkeit, die sich gerade in den Bildern findet, mit aufmüpfiger Leidenschaft. Dass die drei keine wirkliche Perspektive haben, hindert sie nicht daran, dennoch dafür zu kämpfen. Das ist nicht unbedingt spannend im etablierten Sinn, dafür passiert hier zu wenig. Es gibt keine großen Dramen, es wird nicht auf die Tränendrüse gedrückt – zumal die Damen auch nicht wirklich Sympathieträger sind. Aber es ist doch interessant, diesen Einblick in ein Leben zu gewinnen, das nicht alltäglich ist und doch häufiger, als man es vielleicht gern hätte. Das sich damit abgefunden hat, dass die Welt ist, wie sie ist.
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