Wir toeten Stella
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Wir töten Stella

(OT: „Wir töten Stella“, Regie: Julian Roman Pölsler, Österreich, 2017)

Wir toeten Stella
„Wir töten Stella“ läuft ab 18. Januar 2018 im Kino

Eine kleine Gefälligkeit soll es sein, mehr nicht. Und es spricht ja auch nicht wirklich etwas dagegen, Platz genug haben Anna (Martina Gedeck) und Richard (Matthias Brandt) in ihrem schicken Haus. Trotz ihrer Bedenken stimmen sie deshalb zu, die junge Stella (Mala Emde) für zehn Monate bei sich aufzunehmen, während sie zur Uni geht. Ganz einfach ist das Zusammenleben nicht, zumal da ja auch noch die eigenen Kinder Anette (Alana Bierleutgeb) und Wolfgang (Julius Hagg) sind. Aber man arrangiert sich, eine Weile zumindest. Die Anwesenheit der fremden Person sorgt jedoch immer wieder für Irritationen, bis es zur Katastrophe kommt.

Es ist ein ebenso beliebtes wie bewährtes Mittel des Erzählens: Man startet mittendrin, präsentiert die Protagonisten in einer absolut wahnwitzigen Situation. Und noch bevor wir erfahren, wie sich die Helden aus diesem Schlamassel befreien, springen wir zurück zum Anfang, dürfen erfahren, wie sie überhaupt da hineingeraten konnten. Auch Wir töten Stella zäumt das Pferd von hinten auf. Doch das Endergebnis wird hier schon vorweggenommen, im Titel wie im Inhalt. Wenn die junge Stella schon gleich zu Beginn vor ein Auto läuft, dann ist die Geschichte vorbei, ehe sie überhaupt begonnen hat.

Ich erzähle, also bin ich
Aber um das Ende geht es hier ja auch nicht. Es geht auch weniger darum, wie es dazu kommen konnte – das wird ebenfalls relativ schnell klar. Es geht nicht einmal wirklich um Stella, der zwar ein Titel und Film gewidmet wird, in beidem aber eine Fremde bleibt. Es ist Anna, die hier im Mittelpunkt steht. Anna, die mit der Erfahrung ringt. Mit ihren eigenen Ansichten auch dazu, die doch sehr gemischter Natur sind. Sie hatte sich der Jugendlichen angenommen, wollte sie gleichzeitig wieder los sein. Wenn sie als Rahmenhandlung des Films an ihrem Tisch sitzt und die Geschichte aufschreibt, dann ist das mehr eine Geschichte über sich selbst anstatt über die Verstorbene.

Sympathisch macht das Anna nicht unbedingt. Sympathieträger sind in Wir töten Stella aber ohnehin nicht vorgesehen. Vor allem Brandt suhlt sich in seiner Figur des selbstverliebten Macho-Widerlings, den man maximal als Mutter mögen kann. Gedeck wiederum gibt mal wieder die unterkühlte Frau, hilfsbereit und doch innerlich verroht. Wenn sie Stellas Schönheit bewundert, ihr neue, schicke Kleider kauft, dann gleicht das das eher einem Spiel mit einer Puppe als zwischenmenschlichem Interesse.

Eine alltägliche Familie, ein unwirkliches Drama
Wir töten Stella ist dann auch insgesamt vorrangig die Dekonstruktion einer bürgerlichen Familie, die nach außen hin alles hat, Vorbildfunktion auch mit Haus, Auto, Beruf und zwei Kindern. Eine Familie, die aber nur notdürftig noch zusammengehalten wird. Wolfgang drängt es schon länger hinaus, Stella als Unruhefaktor droht, auch noch die letzten Zusammenhänge zu beseitigen. Die mühsam aufrechterhaltene Ordnung zu beseitigen. Schön ist das nicht, höchstens schön düster. Ein Film, der es einem eiskalt den Rücken hinunterlaufen lässt, obwohl eigentlich kaum etwas passiert.

Zum Ende, beim in die Länge gezogenen Finale, braucht es auch ein wenig Geduld. Die meiste Zeit über fesselt aber dieses Familiendrama, das nie ganz von dieser Welt zu sein scheint. Julian Roman Pölsler, der auch Marlen Haushofers Folgewerk Die Wand verfilmt hat und hier einige Verweise auf seinen früheren Film einbaut, baut immer wieder Szenen ein, die aus einem Horrorfilm stammen könnten. Surreal, alptraumhaft. Auch die Sprache trägt dazu bei, dass die Geschichte immer auf Abstand bleibt. Es braucht dafür nicht einmal Annas Erzählungen aus dem Off, die zwischen Poesie und Grausamkeit hin und her wandern. Auch die regulären Dialoge lassen immer wieder Zweifel daran aufkommen, ob wir es hier überhaupt noch mit Menschen zu tun haben. Nein, gefällig ist Wir töten Stella sicher nicht. Wer aber düstere Dramen österreichischer Machart mag, gerne immer mal wieder in die Abgründe der normalen Menschen schaut, der darf sich hier gut und gern ein wenig frösteln lassen.



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Eine Familie nimmt vorübergehend eine Jugendliche bei sich auf, damit diese zur Uni gehen kann und beschwört damit eine Katastrophe herauf. Das Ergebnis wird direkt zu Beginn vorweggenommen, auch der Weg dorthin ist klar. Doch trotz der fehlenden Überraschungen ist das frostig-düstere Drama „Wir töten Stella“ ein fesselnder Blick in die Abgründe einer bürgerlichen Vorzeigefamilie.
7
von 10