Your Name
© Universum Film

(OT: „Kimi no na wa“, Regie: Makoto Shinkai, Japan, 2016)

Your Name
„Your Name“ läuft am 11. und 14. Januar 2018 im Kino

Endlich raus aus ihrem kleinen Bergdorf kommen, die Welt da draußen erleben, Tokio kennenlernen – davon träumt die Schülerin Mitsuha. Für Taki ist das hingegen ein alter Hut. Er kennt das hektische Großstadtleben und den hohen Preis, den er dafür zu zahlen hat. Wortwörtlich aber auch im übertragenen Sinn. Er fände es ganz nett, das mal hinter sich lassen zu können. Die Möglichkeit erhält er, als er eines Nachts träumt, in dem Körper eines Mädchens auf dem Land zu stecken. Zu seiner großen Überraschung und auch der von Mitsuha müssen sie feststellen, dass es mehr als ein Traum ist: Regelmäßig erwachen sie in dem Körper und dem Leben des jeweils anderen. Das ist spannend, teilweise auch ziemlich schwierig und vor allem auch rätselhaft. Keiner der beiden kann sagen, was es hiermit auf sich hat. Bis Taki nach einer Weile eine schockierende Entdeckung macht.

Was sollen wir nur machen, wenn Studio Ghibli einmal wirklich seine Pforten schließt? Darüber gesprochen wird schon seit Jahren, da Hayao Miyazaki nach jedem Film sagt, es war sein letzter. Diesmal wirklich. Und auch wenn diese Beteuerung keiner mehr wirklich ernst nimmt, die Suche nach geeigneten Nachfolgern beschäftigt seit Jahren schon die Anime-Community. Neben Mamoru Hosoda (Ame & Yuki – Die Wolfskinder, Der Junge und das Biest) ist es vor allem Makoto Shinkai, der immer wieder als einer von Miyazakis Erben bezeichnet wird. Ob das nun eigenen Verdiensten geschuldet ist oder der mangelnden Konkurrenz im Anime-Filmbereich, darüber ließ sich streiten. Denn während seine ersten beiden Filme The Place Promised in Our Early Days und 5 Centimeters per Second tatsächlich auf eine spannende neue Stimme schließen ließen, waren die zwei darauffolgenden Filme ernüchternd. Children Who Chase Lost Voices war ein austauschbarer Ghibli-Klon, The Garden of Words ein wenig ambitionierter Quasi-Kurzfilm, der durch seine fotorealistischen Bilder auffiel. Nicht durch seinen Inhalt. War das schon alles?

Aus dem Nichts an die Spitze

Nein, war es nicht. Mit Your Name, der fünfte Film des japanischen Allrounders, zeigte er nun, dass er durchaus in einem Atemzug mit den großen Meistern genannt werden kann. Zumindest in kommerzieller Hinsicht: Nach Chihiros Reise ins Zauberland ist das Drama in Japan der zweiterfolgreichste Anime aller Zeiten, weltweit steht es dank eines fabelhaften Einspielergebnisses in China sogar an der Spitze. Nun sind Einnahmen an den Kinokassen nicht zwangsweise an die Qualitäten des entsprechenden Films gebunden. Gerade das Reich der Mitte fällt immer wieder durch kaum vorhersehbare, zuweilen kaum nachvollziehbare Blockbuster auf. Bei Shinkais neuem Baby trifft glücklicherweise Erfolg und Qualität zusammen. Your Name ist nicht nur eine Verbesserung zu seinen Vorgängern, der Anime ist allgemein einer der sehenswertesten der letzten Jahre.

Das ist hier auch wörtlich zu verstehen. Böse Zungen behaupten ja, Shinkai wäre so sehr in seine Bilder verliebt, dass er vergisst, etwas mit ihnen anzufangen. Andererseits ist es auch schwer, sich nicht in die Bilder zu verlieben, die er mit seinem Studio CoMix Wave Films da auf die Leinwand zaubert. Sein Hang zu Lichtspielereien ist inzwischen fast sprichwörtlich, diese sind aber fast nebensächlich angesichts der detaillierten Aufnahmen. Dabei spielt es keine Rolle, in welchem der beiden Handlungsstränge wir unterwegs sind, in der Provinz Japans oder der Hektik von Tokio, man muss oft schon genauer hinschauen, um die Hintergründe von denen eines Realfilms unterscheiden zu können.

Es gibt viel zu sagen, packen wir es schön ein

Shinkai füllt den Film aber auch inhaltlich mit jeder Menge Liebe zum Detail. Viele Themen kommen hier auf den Tisch, universelle wie typisch japanische. Der Gegensatz von Stadt und Land zum Beispiel, einhergehend mit dem von Tradition und Moderne. Technikverliebtheit auf der einen Seite, alte religiöse Rituale, von denen kaum einer mehr weiß, wo sie herkommen, auf der anderen. Die Bedeutung von Erinnerungen wird betont, auch die des Namens als Faktor von Identität. Und natürlich handelt Your Name von der Liebe selbst, so wie die meisten Filme von Shinkai. Die Art und Weise, wie sich hier zwei Menschen allmählich näherkommen und sich wichtig werden, das funktioniert auch als normale Romanze. Nur dass das Multitalent, welches sich hier erneut von Drehbuch über Inszenierung bis hin zu Animationen in jedem künstlerischen Aspekt betätigt, drumherum eine ungewöhnliche Geschichte erzählt.

Körpertauschfilme gab es im Laufe der Zeit natürlich einige, kürzlich war mit dem chinesischen Kassenschlager Never Say Die sogar mal wieder eine im deutschen Kino zu sehen. Und wie so oft wird auch hier nie abschließend erklärt, wie es eigentlich dazu kam. Das fantastische Element, das ist bei Shinkai Teil seiner Weltsicht. Wer aber deswegen bereits zu wissen glaubt, was bei Your Name passiert, der sieht sich getäuscht. Wenn die Geschichte später eine sehr überraschende Wendung nimmt, werden einige zuvor vermeintlich etablierten Wahrheiten auf den Kopf gedreht. Teile davon sind nicht unbedingt glaubwürdig, selbst innerhalb des übernatürlichen Kontexts. Dafür zieht der Film hieraus eine ungemeine Spannung. Ist Your Name deshalb nun der beste Anime aller Zeiten? Das vielleicht nicht. Aber er ist einer, der gleichermaßen unterhält und fesselt, im einen Moment komisch ist, im anderen rührend, und ein seltsames Setting dafür verwendet, viel über das menschliche Dasein zu sagen.



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An den Kinokassen brach „Your Name“ fast alle bisherigen Anime-Rekorde. Ob verdient, darüber lässt sich streiten. Unstrittig ist jedoch, dass das Körpertauschdrama auf überraschende Weise ein ungewöhnliches Szenario nutzt, um viel über universelle wie auch typisch japanische Themen zu reden. Das ist spannend, unterhaltsam und rührend, sieht zudem wie immer bei Makoto Shinkai fantastisch aus.
8
von 10