„Hirune Hime: Shiranai Watashi no Monogatari“, Japan, 2017
Regie: Kenji Kamiyama; Drehbuch: Kenji Kamiyama; Musik: Yoko Shimomura
Schlafprobleme? Nein, darunter leidet Kokone nun wirklich nicht. Sie schläft gern, sie schläft oft, sie schläft überall. Etwas unpraktisch, wenn man eigentlich gerade für seine Universitätsprüfung lernen sollte. Bemerkenswerter noch sind aber die Inhalte ihrer Träume. Denn darin lässt sie alles hinter sich, ihr einfaches Leben mit ihrem Vater, um als Prinzessin Ancien über das Königreich Heartland zu herrschen. Sie hat sogar richtig magische Kräfte! Aber die braucht sie auch, wie sonst soll sie den vielen Maschinen Leben einhauchen? Es sind schöne und spannende Träume – bis Kokone merkt, dass diese Fantasywelt enger mit der Realität verknüpft ist, als es den Anschein hatte.
Ah, und schon wieder ein junges Mädchen, das es plötzlich in eine Fantasywelt verschlägt. Das passiert in Japan häufiger mal, zumindest in Animes. Am bekanntesten ist hierbei sicher Chihiros Reise ins Zauberland, das uns mitnahm in die fernöstliche Fabel- und Geisterkultur. Dahinter tummeln sich zahlreiche Kollegen, die zumindest im Ansatz eine ähnliche Geschichte erzählen. Bei Ancien und das magische Königreich liegt dann auch erst einmal der Verdacht nahe, es mit einem weiteren Trittbrettfahrer zu tun zu haben – allein schon weil der deutsche Verleih die deutlich originelleren englischen Titel Napping Princess und Ancien and the Magic Tablet zugunsten eines recht generischen aufgab. Doch zum Glück ist der Inhalt ja wichtiger als die Verpackung. Und an der Stelle geht der Film doch etwas unerwartete Wege.
Das ist jetzt schon ein bisschen komisch …
Da wäre zunächst einmal das im englischen Titel angesprochene magische Tablet. Ja, im alternativen Japan der Traumzukunft können die gegenwärtigen Allzweckwaffen noch ein klein wenig mehr: Ancien alias Kokone kann hiermit wahre Wunderdinge vollbringen! Und das braucht es auch, denn ein gigantisches Metallmonster macht Heartland unsicher. Auch die Welt selbst, in der jeder nur dafür lebt, Autos herzustellen, fällt ein klein wenig aus dem Rahmen. Wenn dann noch der gesellschaftliche Druck hinzukommt – kauf ein neues Auto, sonst bist du niemand –, ist der Grundstein für eine reichlich sonderbare Erfahrung gelegt.
So ganz hält Regisseur und Drehbuchautor Kenji Kamiyama (Ghost in the Shell: Stand Alone Complex, 009 Re: Cyborg) dieses Versprechen aber nicht. Die Verbindung der Traumwelt zur Realität und die damit verbundenen Parallelen sind beispielsweise interessant, aufgeklärt wird dies jedoch nie befriedigend. Und auch die satirisch-dystopischen Strömungen innerhalb der Geschichte hören einfach auf, mittendrin, ohne dass sie je zu etwas führen. Dabei hätte das Szenario um ein autoverrücktes, unterdrücktes Zauberland eine Menge Potenzial gehabt.
Unterhaltsam und schön anzusehen
Sympathisch ist Ancien und das magische Königreich trotz dieser Mankos. Sympathisch und unterhaltsam. Die etwas eigenartigen Roboter, ein sprechender Plüschbär, das sind schon nette und teils richtig witzige Nebenfiguren. Und auch Schlafmützchen Kokone mag man schnell ganz gern, auch wenn sie streng genommen keine allzu stark ausgearbeitete Persönlichkeit hat. Da zudem die Optik des neu gegründeten Animationsstudios Signal.MD – ein Schwesterstudio von Production I.G und Wit Studio – bis auf einige missglückte CGI-Momente sehr angenehm gestaltet wurde, ist der Anime ein mehr als würdiger Beitrag für die eigene Sammlung. Die Exzellenz der thematisch ähnlichen Werke von Studio Ghibli wird natürlich erreicht. Da der Nachschub an tatsächlich empfehlenswerten Anime-Kinofilmen in den letzten Jahren aber ziemlich ins Stocken geraten ist, kann man für diesen hier schon ein bisschen dankbar sein, zumal auch die deutsche Synchronisation ordentlich geworden ist.
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