„Das Milan Protokoll“, Deutschland, 2017
Regie: Peter Ott; Drehbuch: Peter Ott; Musik: Ted Gaier
Darsteller: Catrin Striebeck, Christoph Bach
Es ist eine sehr gefährliche Arbeit, aber auch eine erfüllende: Die deutsche Ärztin Martina (Catrin Striebeck) kümmert sich im syrisch-irakischen Grenzgebiet um Verwundete, gerade auch Soldaten. Als sie mal wieder unterwegs ist, um den Menschen zu helfen, wird sie von sunnitischen Kämpfern entführt, die dem Islamischen Staat nahestehen. Der Grund: Sie vermuten in dem Transport versteckte Waffen, die sie unbedingt haben wollen. Als sie dabei nicht fündig werden, beschließen sie, die wertvolle Gefangene erst einmal so zu behalten – wodurch sie zum Spielball einer ganzen Reihe von Interessensgruppen wird. Und selbst, als sie endlich befreit wird, hat der Albtraum kein Ende: Geheimdienstmitarbeiter Moses (Christoph Bach) vom BND will ganz genau wissen, was da vorgefallen ist. Doch nicht einmal Martina hat darauf eine Antwort.
Es herrscht Krieg in Syrien, so viel ist klar. Wir wissen es durch das Fernsehen, das immer mal wieder davon berichtet. Wir wissen davon durch die vielen Flüchtlinge, die der humanitären Katastrophe zu entkommen versuchen. Ansonsten aber ist es ziemlich schwierig, den Überblick zu behalten, wer da alles gegen wen kämpft. Und weshalb. Schon auf der internationalen Ebene, wenn die ganzen ausländischen Nationen mitmischen. Richtig verworren wird es jedoch erst, wenn der Blick ins Detail geht und die ganzen Splittergruppen aufeinander losgehen, die man gern in eine gemeinsame Schublade packen würde, dann aber doch unterschiedliche Interessen verfolgen.
Ein Thriller, der keiner sein will
Wie unterschiedlich diese Interessen sind, das macht Peter Ott hier deutlich, auf eine Weise, die gleichzeitig passend und frustrierend ist. Eine Ärztin wird von Kämpfern entführt, der BND will diese befreien. Das ist eigentlich klassisches Thrillermaterial. Und irgendwie ist Das Milan Protokoll das auch. Indem Martina aber von Anfang an dem BND Rede und Antwort steht, die erfolgreiche Befreiung also vorweggenommen wird, will die Spannung eines Thrillers, der namensgebende Thrill, jedoch komplett eliminiert. Das Ergebnis steht also, es sind die Details, um die es hier geht.
Und es sind viele Details, sehr viele sogar. Wenn Ott, der hier das Drehbuch schrieb und Regie führte, eines gelingt dann das: Bei dieser Geschichte kämpft jeder für sich. Das ist durchaus interessant, da es den üblichen Schlagzeilen mehr Tiefe verteilt. Man erhält zumindest ansatzweise Einblick in die Komplexität der Situation. Hinzu kommt, dass Martina selbst ein eigenes Spiel spielt, ihre Erzählungen und das Gezeigte nicht unbedingt übereinstimmen müssen. Ja, nicht einmal dem BND traut man zum Schluss noch über den Weg, da auch er seine eigenen Interessen verfolgt. Was zunächst klar und deutlich erscheint, verschiebt sich immer weiter, Szenen verschmelzen und lösen sich voneinander.
Viel Gefahr, wenig Spannung
Die Ambitionen sind also da. Das Problem ist nur: Das Milan Protokoll hört sich packender an, als es ist. So löblich es ist, die einzelnen Verstrickungen aufzeigen zu wollen, wenn am Ende die Konfusion das Hauptmerkmal eines Films ist, dann ist das nicht weiter förderlich. Immer wieder drängt sich auch der Eindruck auf, dass diese Verstrickungen wichtiger waren als der eigentliche Inhalt. Die Figuren bleiben seltsam leblos, selbst Striebeck (Zwischen den Jahren, Ohne Gnade) schafft es nicht so recht, aus ihrer Rolle einen tatsächlichen Menschen zu machen. Und auch die Geschichte ist insgesamt überkonstruiert, eine Idee mehr als eine zusammenhängende Erzählung. Mit einer Tafel geht es anfangs los, auf der Länder und Gruppierungen eingetragen werden. Und irgendwie hat man zum Schluss auch das Gefühl, einen Vortrag gesehen zu haben, der sich als narratives Werk verkleidet hat. Stoff gab es darin genug, der Unterhaltungsfaktor hält sich aber in Grenzen.
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