„Die kleine Hexe“, Deutschland, 2018
Regie: Michael Schaerer; Drehbuch: Matthias Pacht; Vorlage: Otfried Preußler; Musik: Diego Baldenweg
Darsteller: Karoline Herfurth, Suzanne von Borsody, Momo Beier, Luis Vorbach, Axel Prahl
127 Jahre, das wäre für einen Menschen ein stolzes Alter. Die kleine Hexe (Karoline Herfurth) gilt damit bei ihresgleichen aber fast noch als Kind, weswegen sie auch nie zur großen Feier während der Walpurgisnacht eingeladen wird. Als sie sich dennoch hinschleicht, wird sie natürlich prompt erwischt. Und die Strafe folgt sofort: Ein Jahr hat sie nun Zeit, um alle Zaubersprüche aus dem großen Hexenbuch auswendig zu lernen. Einfach ist das nicht. Vor allem nicht, weil die böse Hexe Rumpumpel (Suzanne von Borsody) ihr hinterherschnüffelt und nur darauf wartet, dass ihre junge Kollegin einen kapitalen Fehler macht.
Fast hätte es Die kleine Hexe ja noch geschafft, zum 60. Geburtstag der Buchvorlage von Otfried Preußler in die Kinos zu kommen. Offensichtlich scheute man jedoch die Konkurrenz des zwar profitablen, aber doch hart umkämpften Weihnachtsgeschäfts und entschied sich lieber für den Februar als Kinostart. Vielleicht war das auch die bessere Entscheidung: Auch wenn das 1957 erschienene Kinderbuch zweifelsfrei ein zeitloser Klassiker ist, es ist dann doch ein Produkt seiner Zeit. Und das gilt auch für den Film, von dem man an einigen Stellen kaum glauben mag, dass er von 2018 sein soll.
Tricks wie aus einem Geschichtsbuch
Das fängt schon bei der technischen Umsetzung an, die oft wie aus einer anderen Ära wirkt. Animatronik, bei der Figuren noch mechanisch bewegt werden, wann sieht man das heute noch? Auch sonst setzte man lieber auf Handfestes: Wenn die kleine Hexe sich vergeblich an Zaubern versucht und es daraufhin Löffel vom Himmel regnet, dann werden hier tatsächliche Löffel hinabgeworfen. Während dieser Verzicht auf Computer auf eine sympathische Weise altmodisch ist, sind andere Spezialeffektive eher ein klein wenig peinlich. So deutlich wie hier sollte man Green Screens dann doch nicht sehen.
Aber es passt eben auch zu dem Inhalt. Während die Grundidee einer Hexe, die sich erst ihrer Kräfte und Ziele im Leben bewusst werden muss, heute noch genauso erdacht werden könnte, klassisches Coming-of-Age-Material ist, gilt das weniger für die Ausführung. Als das Buch vor einigen Jahren überarbeitet wurde, um heute nicht mehr tragfähige Worte wie „Neger“ und „Zigeuner“ zu tilgen, beließ man die Geschichte selbst beim alten. Dabei könnte vor allem das Ende heute so manchem Pädagogen übel aufstoßen. Wenn die kleine Hexe hier ihren alten und überaus bösen Kolleginnen ein Schnippchen schlägt, dann ist das viel näher an den Märchen von anno dazumal dran als an einem Kinderfilm der Moderne. An Geschichten, die sich noch trauten, auch grausam zu sein, ohne gleich ein traumatisiertes Publikum zu befürchten.
Unbeschwert dem Ende entgegen
Dabei ist Die kleine Hexe insgesamt natürlich kein düsterer Film. Die bösen Protagonisten haben immer etwas Komisch-Kauziges an sich, zu keiner Zeit hat man das Gefühl, dass die Protagonistin oder andere Figuren in ernsthafter Gefahr wären. Die Zaubersprüche sind nie bedrohlich, selbst wenn größte Urgewalten beschworen werden. Stattdessen hat Michael Schaerer einen sehr leichtherzigen Film gedreht, der von vielen, vielen Grüntönen dominiert wird. Und von Karoline Herfurth (Fack ju Göhte) natürlich. Sie gibt ihrer Figur so viel Charme, Enthusiasmus und Unbeschwertheit mit auf den Weg, dass sie weder Hexenbuch noch fliegenden Besen braucht, um das Publikum zu verzaubern. Und auch Axel Prahl (Vadder, Kutter, Sohn), der dem altersschwachen Raben Abraxas seine Stimme leiht, trägt maßgeblich dazu bei, dass die Kinderbuchverfilmung selbst weit über die Zielgruppe hinaus Spaß macht.
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