„Freddy/Eddy“, Deutschland, 2016
Regie: Tini Tüllmann; Drehbuch: Tini Tüllmann; Musik: Michael Regner, Felix Gebhard
Darsteller: Felix Schäfer, Jessica Schwarz, Greta Bohacek, Alexander Finkenwirth
Es ist noch gar nicht so lange her, da war Freddy (Felix Schäfer) ein angesagter Maler. Bis zu jenem Tag, als er seine Frau bei einem Seitensprung erwischte und brutal zusammenschlug. Seither haben sich alle von ihm abgewandt, nur sein Halbbruder David (Alexander Finkenwirth) hält noch zu ihm. Aber auch dem fällt es schwer zu glauben, wenn sich Freddy an nichts erinnern will. Genauso wenig kann er etwas mit Freddys Behauptung anfangen, sein Kindheitsfreund Eddy, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist, wäre wieder zurück. Richtig kompliziert wird es jedoch, als nebenan Paula (Jessica Schwarz) und deren Tochter Mizi (Greta Bohacek) einziehen und sich Eddy zunehmend in das Privatleben einmischt.
Um den deutschen Genrefilm ist es bekanntermaßen nicht besonders gut gestellt. Die Filmförderungen wollen kein Geld dafür hergeben, das Publikum steht solchen Projekten aus Prinzip schon misstrauisch gegenüber. Das bekam auch Tini Tüllmann zu spüren. Da wurde sie auf den 2016er Hofer Filmtagen mit dem Heinz-Badewitz-Preis für die Beste Nachwuchsregie für ein Erstlingswerk ausgezeichnet, weitere Festivalteilnahmen und Preise folgten. Dennoch will sich kein deutscher Verleih für ihren Psychothriller Freddy/Eddy interessieren. Aber selbst ist die Frau. Und so bringt die Regisseurin und Drehbuchautorin das Werk eben selbst in die Kinos.
Gute Schauspieler und Spannung
Glücklicherweise braucht es jedoch weder Sympathie bzw. Mitleid für die Situation, um dem Film etwas abgewinnen zu können. Freddy/Eddy hat auch Stärken, die völlig losgelöst von den Umständen sind. Einige bekannte Gesichter beispielsweise, die sich unter die Darsteller gemischt haben und kleinere Rollen übernehmen – darunter Katharina Schüttler und Robert Stadlober. Und Jessica Schwarz als neue Nachbarin braucht auch nicht unbedingt eine Vorstellungsrunde. Hauptdarsteller Felix Schäfer kann es an Popularität sicher nicht mit diesen Kollegen aufnehmen. Vormerken darf man ihn sich nach seiner guten Leistung in der Doppelrolle von Freddy und Eddy aber sicherlich.
Zudem hat der Thriller einige schöne Bilder auf Lager, gerade wenn hier der Winter einbricht. Interessant ist aber auch, dass einiges eben nicht gezeigt wird: Nicht nur, dass sich Freddy oftmals an Szenen nicht erinnern kann. Der Zuschauer selbst bekommt oft nur Bruchstücke daraus zu sehen, manchmal auch gar nichts. Die Spannung des Films resultiert dann zum Großteil eben aus dieser Unsicherheit, was es mit diesem imaginären Kindheitsfreund auf sich hat, den sonst niemand sehen kann, sowie der Frage, was denn überhaupt real passiert. Ob überhaupt etwas real passiert.
Inhaltlich wäre da mehr gegangen
Das ist alles sehr routiniert, wenn auch nicht besonders originell, viele Szenen sind letztendlich nur Variationen alter Bekannter. Das Spiel mit mehreren Persönlichkeiten ist seit dem Klassiker Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde fester Bestandteil des Genrearsenals, dem viele später nacheiferten. So wurde beispielsweise Split Anfang 2017 zu einem unerwarteten Blockbuster. Tüllmann versucht sich zum Ende hin von den offensichtlichen Vorbildern zu lösen. Das ist einerseits löblich, jedoch auch unglücklich. Dass man bei dieser Art Film oft über Unwahrscheinlichkeiten und Logiklöcher hinwegsehen muss, das ist kein großes Geheimnis. Freddy/Eddy mutet einem in dieser Hinsicht aber schon ein bisschen sehr viel zu – sowohl das Grundszenario wie auch diverse Einzelszenen ergeben schrecklich wenig Sinn. Der erhoffte Heilsbringer für den deutschen Genrefilm ist der Thriller deshalb nicht, da fehlt inhaltlich doch noch ein ganzes Stück. Aber es ist ein mindestens ordentlicher Vertreter seiner Zunft, der sich vor vielen internationalen Kollegen nicht wirklich verstecken muss.
(Anzeige)