„Global Family“, Deutschland, 2018
Regie: Andreas Köhler, Melanie Andernach; Drehbuch: Andreas Köhler, Melanie Andernach
Die Zeiten, in denen Familien zusammen in einem einzigen Haus leben, dort auch bis zum Ende bleiben, die sind bekanntermaßen schon lange vorbei. Heute verstreut es die einzelnen Familienmitglieder meist in die ganze Welt. Selten ist dieser Ausdruck jedoch so wörtlich zu verstehen wie hier: Äthiopien, Deutschland, Italien – die Familie von Yasmin ist gut herumgekommen. Nicht ganz freiwillig jedoch. Vielmehr ist es das Ergebnis äußerer Umstände. Aus Somalia stammen sie ursprünglich, sind aber wie so viele vor den Schrecken des andauernden Krieges geflohen. Und wie das so ist, wenn man das Glück sucht, man weiß dabei nie, wo man denn dabei landet. Oder ob man es überhaupt findet.
Yasmin hat es hier eindeutig am besten erwischt. Sie geht in Deutschland einer geregelten Arbeit nach, hat gesunde Kinder, bis auf kleinere Problemchen klappt auch das mit der Integration ganz gut. Sie verdient sogar genug, um dem Rest ihrer Familie etwas davon abgeben zu können. Schließlich hatten die sehr viel weniger Glück. Der Onkel in Deutschland ist seit drei Jahren arbeitslos. Dessen Versuche, seine in Äthiopien in ärmlichsten Verhältnissen lebende Mutter ebenfalls nach Deutschland zu holen, scheitern dann auch an den hiesigen Behörden. Immerhin aber hat sie ein Dach über dem Kopf und einige Verwandte, die sich um sie kümmern. Der Weg ins vermeintliche italienische Paradies endete derweil auf der Straße.
Eine Familie, viele Schicksale
Die Doku Global Family, welche dieser Tage seine Deutschland-Premiere auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis feiert, ist daher vordergründig die Veranschaulichung, was Flucht aus dem Heimatland bedeutet. Vergleichbare Dokus gibt es natürlich jede Menge, zu jedem erdenklichen Teilgebiet dieses wichtigen Themas – von der Flucht (Seefeuer) über die Integration (Miss Kiet’s Children) bis zur Abschiebung (Deportation Class). Dabei handelt es sich jedoch fast immer um einen einzelnen Schauplatz. Die Regisseure Andreas Köhler und Melanie Andernach weiten diesen Blick hier, erzählen anhand ein und derselben Familie, wie unterschiedlich das Flüchtlingsleben in verschiedenen Ländern sein kann.
Einen Anspruch an Allgemeingültigkeit hat Global Family dennoch nicht. Dafür halten sich die zwei Filmemacher auch nicht lang genug mit den politischen und gesellschaftlichen Bedingungen auf. Stattdessen steht das Persönliche hier im Fokus. Wie geht eine Familie eigentlich damit um, wenn sie durch die Flucht getrennt wird? Insbesondere für eine afrikanische Familie, bei denen es eben doch noch üblich ist, beisammen zu bleiben, ist die Erfahrung mindestens eigenartig. Kinder, die nicht wissen, ob es ihre Urgroßmutter noch gibt, die ihr eigenes Erbe nie gesehen haben.
Was bedeutet heute noch Familie?
Ganz nebenbei behandelt die Doku damit neben dem Flüchtlingsthema noch andere, ganz allgemeine. Themen, über die man auch als Nichtbetroffener nachdenken kann. Die Bestimmung von Identität, kultureller wie nationaler, die treibt auch hierzulande viele an. Aber auch die Frage, was es in Zeiten weltweiter Ausbreitung noch bedeutet, Teil einer Familie zu sein, ist lohnenswert. Antworten gibt Global Family keine, will auch gar nicht. Aber auch wenn an der einen oder anderen Stelle noch etwas mehr Tiefe nicht schlecht gewesen wäre, so wäre es doch zu wünschen, dass die deutsche Produktion noch einen offiziellen Kinostart bekommt. Denn so persönlich wie hier wird das Thema nur selten behandelt.
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