„Grace Jones: Bloodlight und Bami“, Irland/UK, 2017
Regie: Sophie Fiennes; Musik: Grace Jones
David Bowie ist tot. Prince hat den Weg alles Irdischen verlassen. Sind damit all jene verschwunden, die den Pop einst als Ikonen des Androgynen bereicherten und prägten? Nicht ganz. Denn da ist noch Grace Jones – die Amazone des Glamour – die mit ihren 69 Jahren nicht nur immer noch über die Erde wandelt. Sie tourt auch weiterhin über den Globus und füllt die Konzertsäle wie eh und je. Doch wer ist diese Grace Jones eigentlich? Dieser Frage geht Sophie Fiennes in ihrem Dokumentarfilm Grace Jones: Bloodlight und Bami nach.
Die britische Regisseurin. bekannt vor allem für ihre zwei gemeinsamen Dokumentarfilme mit dem Philosophen Slavoj Zizek – The Pervert’s Guide to Cinema (2006) und The Pervert’s Guide to Ideology (2012) – hat sich über mehrere Jahre einen intimen Zugang zu der Diva erschlossen. Nach 115 Minuten hat der Zuschauer Grace Jones in zahllosen sehr privaten Momenten erlebt. Ihre Geheimnisse erfährt er trotzdem nicht.
Über zehn Jahre gedreht und produziert
Überhaupt wird im Film wenig erklärt. Nicht einmal der Titel, der aus dem jamaikanischen Slang für das rote Licht in Aufnahmestudios und einer lokalen Art von Fladenbrot stammt. Damit umreißt der Titel das, was den Film ausmacht: eine Mischung aus Jones‘ schillernden Live-Show-Spektakeln und dem tropisch-staubigen Geruch ihrer bescheidenen jamaikanischen Herkunft.
Den Großteil des Dokumentar-Features besteht aus in niedriger Auflösung gedrehtem Material, das Jones auf Tournee zeigt, im Studio während der Aufnahmen für ihr Comeback-Album „Hurricane“ von 2008 und während eines Besuchs bei der Familie in Jamaika. Der Zeitrahmen von Bloodlight und Bami bleibt absichtlich vage, nur wenige Anhaltspunkte verweisen darauf, dass Fiennes vor etwa einer Dekade begann, über fünf Jahre Material zu sammeln und dieses in fast ebenso langer Postproduktion verwertete.
Keine Interviews, dafür viele intime Momente
Interviews nutzt die Dokumentation keine, weder mit Jones selbst noch mit ihren Wegbegleitern. Dem Zuschauer wird die Rolle des Beobachters erratischer, teils scheinbar willkürlich zusammengebauter Momente zugewiesen. Kontext und Inhalt muss er sich selbst erschließen. Unterbrochen wird das immer wieder von Konzertmaterial, das Jones – energetisch und extravagant gestylt wie in den Achtzigern und Neunzigern – zeigt.
Unter dem Druck der Selbstverwaltung stehend reist Jones von Ort zu Ort, streitet am Telefon bis aufs Blut mit Produzenten, plaudert in Paris auf Französisch mit dem Taxifahrer über die längst verronnenen Hochzeiten der Disco-Kultur und in jamaikanischem Slang mit ihren Verwandten. Was wir erleben ist ein Wesen, das nicht nur im Scheinwerferlicht Model, Sängerin und Schauspielerin ist. Jones bleibt auch abseits der Bühne eine Ikone, die für jeden Anlass ein anderes Gesicht hat.
Dieses Dokumentarfilm-Feature von Sophie Fiennes zeigt alle Aspekte von Jones’ Leben mit großen Respekt und ist für Fans sicher ein Fest. Für alle anderen ist es ein interessantes, aber auch mühsames Werk, das sich durch seine undurchsichtige Form und die langen, nicht gerade in Hochglanz fotografierten Bilder in die Länge zieht. Am Ende steht also nicht nur die Frage, ob man sich einem der großen Rätsel des Pop überhaupt wirklich befriedigend nähern kann. Diskutieren lässt sich auch, wie leuchtend ein Film produziert sein sollte, wenn er dem Stern in seinem Zentrum gerecht werden will.
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