„Harlock Saga: Nibelungen no Yubiwa“, Japan, 1999
Regie: Yoshio Takeuchi; Drehbuch: Megumi Hiyoshi (Vorlage: Leiji Matsumoto); Musik: Kaoru Wada (Vorlage: Richard Wagner)
Das Rheingold, ein mächtiger Goldbrocken, der bislang auf dem Planeten Rhein versteckt war, ist fort, geraubt von Alberich. Wer aus diesem einen Ring formt, kann damit das Universum beherrschen – so heißt es. Und genau das hat Alberich vor, der letzte Nachkomme des einst so mächtigen Clans der Nibelungen. Als es ihm gelingt, den Sohn eines berühmten Schmiedes zur Anfertigung dieses Rings zu überreden, scheint bereits alles verloren. Nun liegt es an dem Weltraumpiraten Harlock und seiner Crew, gemeinsam mit der mysteriösen Zauberin Meeme das Unglück noch zu verhindern. Erschwert wird dieses Abenteuer durch Wotan, der seit Millionen von Jahren als Gott der Götter über das Universum herrscht und zu allem bereit ist, um diese Macht zu verteidigen.
Zur Freude der Fans ist im Bereich des Animes ja so ziemlich alles möglich. Das betrifft zum einen das, was da auf dem Bildschirm geschieht. Es betrifft aber auch die Inspirationsquellen. Neben der traditionellen Lieblingsvorlage Manga und der heute so populären Light-Novel-Gattung hat es im Laufe der letzten hundert Jahre so ziemlich alles mal gegeben. Klassische Romane. Spielfilme. Videospiele. Beim Thema Oper kommen aber selbst Experten ins Grübeln. Ein Beispiel gibt es jedoch, indirekt zumindest: Harlock Saga: Der Ring des Nibelungen. Wie der Name schon andeutet, stand hier Richard Wagners Operntetralogie „Der Ring des Nibelungen“ Pate. Das Science-Fiction-Urgestein Leiji Matsumoto hatte Ende der 90er damit begonnen, das Epos in Form eines Mangas zu adaptieren, dessen erstes Kapitel wiederum wurde kurz drauf als Anime verfilmt.
Viele Bekannte in den Weiten des Weltalls
Das Besondere ist aber, dass Matsumoto die Oper nicht einfach nur umsetzte, sondern mit seinen eigenen berühmten Werken kreuzte. Neben kleinen Gastauftritten von Emeraldas und Maetel (Galaxy Express 999) bedeutet das vor allem, dass der allseits beliebte Space Pirate Captain Harlock hier eine große Rolle spielt. Das ist nicht ganz unpassend, wurde der Altmeister doch gerade für seine Weltraumopern bekannt. Große Abenteuer gekoppelt mit viel Drama, das war immer das Metier des Japaners. Dass er sich für die Themen Wagners begeistern könnte – riesige Macht, verschmähte Liebe, Rache und ein ganzer Batzen Gold –, das verwundert an und für sich nicht.
Und doch starrt man ein klein wenig ungläubig auf das, was in Harlock Saga aus der klassischen Vorlage wurde. Aus dem Fluss Rhein wurde ein gesamter Planet, Wotans Festung verwandelt sich in eine Raumstation im Stil des Todessterns aus Star Wars, der goldgierige Zwerg Alberich mutierte zu einem nihilistischen Rächer einer unterdrückten Rasse. Dann gibt es noch mystische Drachen und Orgeln, die über das Universum hinwegspielen und die Zeit beeinflussen. Also alles, was das bizarre Herz erfreut und von dem es vorher noch nicht einmal ahnen konnte, dass es überhaupt möglich ist.
Homogen und doch völlig bizarr
Wobei möglich natürlich in Anführungszeichen gesetzt werden sollte. Selbst wer mit einer ganzen Menge suspension of disbelief an die Sache herangeht, bekommt einiges zu schlucken. Die Fantasy-Elemente von Wagner mit Raumschiffen und fremden Planeten zu kreuzen, das fordert schon ziemlich heraus. Vieles ergibt keinen Sinn, wird trotz großer Worte nicht einmal ansatzweise erklärt. Und doch ist es erstaunlich, wie hier zwei Welten miteinander verschmelzen, die eigentlich gar nichts beieinander zu suchen haben. Wie spannend Harlock Saga auch ist, selbst wenn das Versprechen einer großen Raumschlacht unerfüllt bleibt.
Auch audiovisuell ist die sechsteilige Miniserie mehr als ordentlich. Wie zu erwarten, greift der Anime ganz gerne mal beim Original zu: Gesungen wird in Harlock Saga zwar nicht, einige der bekannten Lieder werden aber in der einen oder anderen Form aufgegriffen. Und auch optisch orientierte man sich an Klassikern. An vielen Stellen möchte man meinen, dass der von Bandai Visual produzierte Anime ein Zeitgenosse Matsumotos großer Werke ist, man sieht ihm nur selten an, dass er Ende der 90er entstand. Eine technische Hexerei ist es sicher nicht, was die Japaner hier vorgelegt haben, aber es gibt immer mal wieder ansehnliche Momente – beispielsweise bei Spiegelungen. Auch am Detailreichtum der Welten ist nichts auszusetzen. An die typischen Matsumoto-Designs, die heute noch sehr viel mehr herausstechen als in den 70ern, muss man sich als Nicht-Fan natürlich gewöhnen. Immerhin ist die Serie nach wie vor und relativ problemlos auf Deutsch erhältlich, was bei dem einflussreichen Künstler leider die Ausnahme darstellt. Vorkenntnisse anderer Reihen des Altmeisters braucht es auch nicht wirklich, selbst wenn dies manchmal von Vorteil ist. Man kann auch ohne seinen Spaß haben, sofern man Gefallen an übertriebenen und reichlich seltsamen Weltraumopern hat.
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